Das neue Hinweisgeberschutzgesetz – Auswirkungen auf die Kartellrechtscompliance in Deutschland

Hogan Lovells

Nach einem langen Gesetzgebungsverfahren ist am 2. Juli das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Deutschland in Kraft getreten. Damit setzt die Bundesrepublik (wenn auch verspätet) die EU-Whistleblower-Richtlinie um; Hogan Lovells hatte hierüber bereits vor einigen Monaten berichtet. Die nun in Kraft getretenen Regelungen haben dabei auch Auswirkungen auf die kartellrechtliche Compliance. Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Aktivitäten anonymer Whistleblower einerseits und der Möglichkeit zur bußgeldbefreienden „Selbstanzeige“ durch Unternehmen, dem sog. Kronzeugentrag, andererseits. Zur Auflösung dieser Spannungen sind reibungslose interne Complianceprozesse unerlässlich.


Regelungsgegenstand des HinSchG

Das HinSchG regelt den Schutz aller Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Rechtsverstößen erlangt haben und diese an sog. Hinweisgeberstellen weitergeben. Das HinSchG soll solche Hinweisgeber vor Benachteiligungen und Repressalien schützen (§ 36 HinSchG). Damit soll es diesen Personen erleichtert werden, Missstände aufzudecken und so zur Rechtstreue insbesondere der Unternehmen beizutragen, die sie als Arbeitgeber beschäftigen. Dies ist insofern bemerkenswert, als es in Deutschland bislang kein umfassendes und einheitliches Hinweisgeberschutzsystem gab, fügt sich aber durchaus in den seit einigen Jahren anhaltenden Trend zu immer stärkeren Compliance-Bemühungen in den Unternehmen ein.

Anders als in der zugrunde liegenden EU-Richtlinie vorgesehen, werden nicht nur Meldungen und Offenlegungen von Informationen über Verstöße gegen EU-Recht erfasst, sondern auch Verstöße gegen eine Vielzahl von Vorschriften des deutschen Rechts, die in § 2 HinSchG im Einzelnen aufgeführt sind. Gemeinsamer Nenner all dieser Rechtsmaterien – die von Straf- und einigen Bußgeldtatbeständen bis hin zu Regelungen aus dem Produktsicherheits-, Umwelt- und Strahlenschutzrecht reichen – ist, dass sie über den bloßen Individualrechtsschutz hinaus öffentliche Interessen und Güter berühren oder besonders sicherheits- und grundrechtsrelevante Vorschriften betreffen. Da hierzu auch der Schutz des freien Wettbewerbs gehört, erfasst das HinSchG auch Verstöße gegen deutsches und europäisches Kartellrecht sowie gegen den jüngst in Kraft getretenen Digital Markets Act (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 und 9 HinSchG).

Nach einem langen Gesetzgebungsverfahren ist am 2. Juli das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Deutschland in Kraft getreten. Damit setzt die Bundesrepublik (wenn auch verspätet) die EU-Whistleblower-Richtlinie um; Hogan Lovells hatte hierüber bereits vor einigen Monaten berichtet. Die nun in Kraft getretenen Regelungen haben dabei auch Auswirkungen auf die kartellrechtliche Compliance. Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Aktivitäten anonymer Whistleblower einerseits und der Möglichkeit zur bußgeldbefreienden „Selbstanzeige“ durch Unternehmen, dem sog. Kronzeugentrag, andererseits. Zur Auflösung dieser Spannungen sind reibungslose interne Complianceprozesse unerlässlich.


Regelungsgegenstand des HinSchG

Das HinSchG regelt den Schutz aller Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Rechtsverstößen erlangt haben und diese an sog. Hinweisgeberstellen weitergeben. Das HinSchG soll solche Hinweisgeber vor Benachteiligungen und Repressalien schützen (§ 36 HinSchG). Damit soll es diesen Personen erleichtert werden, Missstände aufzudecken und so zur Rechtstreue insbesondere der Unternehmen beizutragen, die sie als Arbeitgeber beschäftigen. Dies ist insofern bemerkenswert, als es in Deutschland bislang kein umfassendes und einheitliches Hinweisgeberschutzsystem gab, fügt sich aber durchaus in den seit einigen Jahren anhaltenden Trend zu immer stärkeren Compliance-Bemühungen in den Unternehmen ein.

Anders als in der zugrunde liegenden EU-Richtlinie vorgesehen, werden nicht nur Meldungen und Offenlegungen von Informationen über Verstöße gegen EU-Recht erfasst, sondern auch Verstöße gegen eine Vielzahl von Vorschriften des deutschen Rechts, die in § 2 HinSchG im Einzelnen aufgeführt sind. Gemeinsamer Nenner all dieser Rechtsmaterien – die von Straf- und einigen Bußgeldtatbeständen bis hin zu Regelungen aus dem Produktsicherheits-, Umwelt- und Strahlenschutzrecht reichen – ist, dass sie über den bloßen Individualrechtsschutz hinaus öffentliche Interessen und Güter berühren oder besonders sicherheits- und grundrechtsrelevante Vorschriften betreffen. Da hierzu auch der Schutz des freien Wettbewerbs gehört, erfasst das HinSchG auch Verstöße gegen deutsches und europäisches Kartellrecht sowie gegen den jüngst in Kraft getretenen Digital Markets Act (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 und 9 HinSchG).


Das BKartA als externe Meldestelle

An dieser Stelle kommt nun das Bundeskartellamt (BKartA) ins Spiel. Die Behörde übernimmt ab sofort die Funktion einer externen Meldestelle und hat dazu auch eine eigene Pressemitteilung veröffentlicht. Konkret bedeutet dies, dass alle Compliance-Verstöße gegen deutsches und europäisches Kartellrecht sowie gegen den DMA über verschiedene Kanäle an das BKartA gemeldet werden können. Dabei greift das Amt auf sein bereits bestehendes elektronisches Hinweisgebersystem zurück. Dort können über ein webbasiertes Tool alle relevanten Informationen sicher übermittelt werden. Dass das System die Anonymität des Hinweisgebers gewährleistet, wird durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zertifiziert. Eine technische Rückverfolgung auf einzelne Hinweisgeber ist bei sachgerechter Nutzung des Systems ausgeschlossen. Unabhängig von diesem System können Hinweise auf relevante Rechtsverstöße zudem per einfacher E-Mail, Telefon, Brief oder im persönlichen Gespräch übermittelt werden (siehe hier und hier).

Ab einer bestimmten Größe sind Unternehmen verpflichtet, auch interne Meldestellen einzurichten und in diesem Zusammenhang konkrete Adressen und Ansprechpartner für die Meldung und Offenlegung von Rechtsverstößen zu schaffen. Dies wird vielfach bereits im Rahmen der allgemeinen unternehmerischen Compliance-Bemühungen der Fall sein, muss nun aber zwingend durch alle Unternehmen mit in der Regel 250 oder mehr Arbeitnehmern (und ab dem 17. Dezember 2023 auch für alle Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern) umgesetzt werden; bestimmte Finanzunternehmen müssen sogar unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl eine interne Meldestelle einrichten (§§ 42 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 HinSchG).

Jeder Hinweisgeber hat jedoch ein Wahlrecht, sich anstelle der internen direkt an externe Meldestellen zu wenden. § 7 HinSchG sieht zwar eine gewisse Lenkung dahingehend vor, dass in Fällen, in denen ein Verstoß intern wirksam bekämpft werden kann, die Meldung an eine interne Stelle vorrangig in Betracht zu ziehen ist. Eine rechtliche Verpflichtung des Hinweisgebers hierzu besteht jedoch nicht; insbesondere führt das „Übergehen“ interner Meldestellen nicht dazu, dass der Hinweisgeber den ihm nach dem HinSchG zustehenden Schutz verliert. Konkret für das Kartellrecht wird dieses Wahlrecht noch dadurch verstärkt, dass sich der Hinweisgeber tatsächlich jederzeit an das BKartA wenden kann – auch dann, wenn zunächst nur eine interne Meldung erfolgt ist und auf Seiten des betroffenen Unternehmens noch ein internes Abhilfeverfahren läuft (§ 22 Abs. 1 Satz 2 HinSchG). Insoweit kann der Hinweisgeber – unterstützt durch das BKartA – selbst konkreten anlassbezogenen Compliance- und Abhilfemaßnahmen der Unternehmen zuvorkommen.


HinSchG und Kronzeugenprogramm – ein Spannungsverhältnis

Damit verschärft sich wiederum ein für die Compliance-Praxis bedeutsames Spannungsverhältnis. Zwar bringt das HinSchG keine grundlegenden rechtlichen Neuerungen für die Kartellverfolgung. Es verstärkt aber die Konkurrenz zwischen internem und externem Whistleblowing. Für das Kartellrecht ist dieses Konkurrenzverhältnis von besonderer Bedeutung. Denn das Kronzeugenprogramm des BKartA bleibt von den Regelungen des HinSchG unberührt (§ 4 Abs. 3 HinSchG). Dieses Programm ist einerseits ein wichtiges Instrument für die Aufdeckung und Verfolgung von Kartellen durch das BKartA. Andererseits kann es von Unternehmen genutzt werden, um durch eine umfassende Kooperation mit der Behörde im Wege der „Selbstanzeige“ einem Kartellbußgeld gänzlich zu entgehen. Angesichts der schnell dramatischen Höhe dieser Bußgelder ist dies ein sowohl finanziell als auch unter dem Gesichtspunkt ganzheitlicher Compliance-Bemühungen bedeutsamer Aspekt.

Das Problem: Ein solcher Bußgelderlass setzt voraus, dass das Unternehmen dem BKartA als erster Kartellbeteiligter Beweismittel vorlegt, die zumindest einen Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Amtsgericht Bonn ermöglichen. Liegen dem Amt dagegen bereits so viele Informationen vor, dass es den Tatnachweis anderweitig führen kann, scheidet ein Bußgelderlass aus (§ 81k Abs. 1 und Abs. 2 GWB). Es liegt auf der Hand, dass ein solcher „Wissensvorsprung“ der Kartellverfolger insbesondere durch das Whistleblowing gut informierter Hinweisgeber in Betracht kommt. Je größer also der Anreiz für potentielle Hinweisgeber ist, interne Meldestellen zu umgehen und sich mit ihren Informationen direkt an das BKartA zu wenden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Kronzeugenantrags – mit der Folge hoher Bußgelder, wenn sich der gemeldete Verdacht bestätigt.


Praxisfolgen für Unternehmen

Aus Unternehmenssicht ist der Fall damit klar: Um sich bei Verdacht auf mögliche Kartellverstöße alle Optionen offen zu halten, müssen gegenläufige Anreize gesetzt werden. Je besser, transparenter und zugänglicher interne Meldesysteme („Speak-Up-Tools“) sind, desto geringer ist das Risiko externer Meldungen.

Dies wiederum erfordert einen niedrigschwelligen Zugang zu internen Meldemöglichkeiten, einen stringenten „tone from the top“ (der seitens des Managements eine klare Missbilligung aller Kartellverstöße zum Ausdruck bringen muss) und die Schaffung eines vertrauensvollen Compliance-Umfelds. Darin sollten potenzielle Whistleblower konsequent zur Meldung etwaiger Vorfälle ermutigt und gleichzeitig ihr Vertrauen in interne Abhilfeprozesse und den Schutz vor persönlichen Repressalien gestärkt werden. Auf diese Weise bleibt eine lückenlose Aufarbeitung von Compliance-Vorfällen unter Einbeziehung der wesentlichen Wissensträger möglich und kann über alle in Betracht kommenden weiteren Maßnahmen – einschließlich der Stellung eines Kronzeugenantrags – besonnen entschieden werden. Das kann im Übrigen auch handfeste Vorteile für die Whistleblower haben: Denn soweit diese ihr Wissen aus einer eigenen Kartellbeteiligung ziehen, für die ihnen auch persönlich ein Bußgeld drohen kann, profitieren sie ebenfalls von einem durch das Unternehmen gestellten Kronzeugenantrag (Chance auf Bußgelderlass, vgl. § 81i Abs. 2 S. 2 GWB).

Klar ist daher: Sowohl die internen Meldeprozesse und die flankierende Kommunikation als auch der Kronzeugenantrag selbst werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Denn das HinSchG stärkt die Position von Whistleblowern umfassend und branchenübergreifend. Dass dies – unabhängig von der Unternehmensgröße – zu einer Häufung von Verdachtsmeldungen führen wird, liegt auf der Hand. Insofern ist nicht nur, aber auch und gerade mit Blick auf das Kartellrecht mit einer Zunahme entsprechender interner und externer Verfahren zu rechnen. Hierdurch dürfte auf Seiten der Unternehmen der Handlungsdruck in Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem Für und Wider von Kronzeugenanträgen erhöht werden. Das gilt umso mehr, da der Präsident des BKartA, Andreas Mundt, alle Wissensträger ausdrücklich zu Meldungen an seine Behörde ermuntert hat:

„Wir ermutigen alle potenziellen Hinweisgeber, von dem Schutz des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes Gebrauch zu machen und sich bei Verdachtsmomenten im Zusammenhang mit Wettbewerbsverstößen in ihrem beruflichen Umfeld an uns zu wenden. Die eingegangenen Hinweise tragen dazu bei, dass Kartelle und andere Wettbewerbsverstöße wirksam aufgedeckt und verfolgt werden können.“

Daraus können sich massive finanzielle und Reputationsrisiken ergeben. Unternehmen sind daher – heute mehr denn je – gut beraten, diesen Risiken durch die Einrichtung robuster Compliance-Systeme und zuverlässiger interner Meldemechanismen vorzubeugen. Unsere Beratungsangebote, von der Erstellung maßgeschneiderter Schulungsunterlagen sowie Speak-up- und Case Management Policies, über Legal Tech Tools für interne Verdachtsmeldungen (unter unserer Marke ELTEMATE) bis hin zu komplexen forensischen Untersuchungen, unterstützen dabei umfassend.

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DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

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