Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Ermöglichung von Hauptversammlungen in der COVID-19-Krise

Latham & Watkins LLP

Eine „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung enthält u.a. Regelungen zur Ermöglichung von Hauptversammlungen trotz Veranstaltungsverboten.

Key Points:

  • Ein von der Bundesregierung erarbeiteter Gesetzentwurf sieht u.a. vor, dass ordentliche Hauptversammlungen von AG und KGaA in der Saison 2020 nicht innerhalb der ersten acht Monate, wohl aber innerhalb des Geschäftsjahres 2020 stattfinden müssen. Für die Europäische AG verbleibt es – mangels Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers – hingegen bei der Regelfrist von sechs Monaten.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Hauptversammlungen ausnahmsweise ohne physische Präsenz von Aktionären und Bevollmächtigten als rein virtuelle Veranstaltung abgehalten werden.
  • Alternativ kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung die sog. Briefwahl oder Online-Teilnahme ermöglichen.
  • Die Einberufungsfrist kann auf 21 Tage verkürzt werden. In diesem Fall verschiebt sich bei Gesellschaften mit Inhaberaktien der sog. Record Date auf den Beginn des zwölften Tages vor der Hauptversammlung.
  • Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn sind auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung aber weiter nur unter den sonstigen Voraussetzungen zulässig.

Die Bundesregierung hat eine umfassende Formulierungshilfe in Gestalt des Entwurfs eines „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ erarbeitet. Dieser Entwurf sieht in Art. 2 § 1 verschiedene Regelungen vor, um die Durchführung von Hauptversammlungen trotz bestehender Veranstaltungsverbote zu ermöglichen. Diese orientieren sich inhaltlich weitgehend eng an den Forderungen, die das Deutsche Aktieninstitut in einer Stellungnahme vom 19. März 2020 erhoben hatte. Eine Beschlussfassung des Bundestags könnte bereits am 25. März 2020 erfolgen.

Wesentlicher Inhalt der Neuregelung

Die Durchführung von Hauptversammlungen im Jahr 2020 soll im Wesentlichen durch folgende Regelungen erleichtert werden:

  • Die ordentliche Hauptversammlung 2020 von AG und KGaA ist abweichend vom Regelfall nicht grundsätzlich innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahres abzuhalten. Sie hat aber innerhalb des Geschäftsjahres stattzufinden. Für die meisten Gesellschaften, bei denen das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, genügt es somit, die ordentliche Hauptversammlung bis zum 31. Dezember 2020 durchzuführen. Für die Europäische AG verbleibt es hingegen – vorbehaltlich einer möglichen Regelung des europäischen Gesetzgebers – bei der Regel, dass die Hauptversammlung innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres stattzufinden hat. Dem deutschen Gesetzgeber fehlt es insoweit an der Regelungskompetenz.
  • Die Hauptversammlung kann ohne physische Präsenz von Aktionären und Bevollmächtigten als rein virtuelle Veranstaltung abgehalten werden, sofern die folgenden Voraussetzungen eingehalten sind:
  • Die gesamte Versammlung wird in Bild und Ton übertragen.
  • Stimmrechtsausübung (per Briefwahl oder elektronische Teilnahme) und Bevollmächtigung sind auf elektronischem Wege möglich.
  • Den Aktionären wird eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt und die Beantwortung der Fragen erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen.
  • Aktionären, die ohne physische Präsenz ihr Stimmrecht auf elektronischem Wege ausüben, wird die Möglichkeit zur Einlegung eines Widerspruchs gegen die Beschlussfassung eingeräumt.
  • Die Einberufungsfrist kann auf 21 Tage verkürzt werden. Wird davon Gebrauch gemacht, hat sich bei Gesellschaften mit Inhaberaktien der Anteilsbesitznachweis auf den Beginn des zwölften Tages vor der Versammlung beziehen und muss – vorbehaltlich einer in der Einberufung bestimmten kürzeren Frist – der Gesellschaft spätestens bis zum vierten Tag vor der Versammlung zugehen. Mitteilungen an Intermediäre müssen bei Nutzung der verkürzten Einberufungsfrist spätestens zwölf Tage vor der Versammlung erfolgen, Mitteilungen an im Aktienregister Eingetragene ggf. an diejenigen, die am zwölften Tag vor der Versammlung im Aktienregister eingetragen sind.
  • Die vorgenannten Maßnahmen bedürften jeweils der Zustimmung des Aufsichtsrats.

Als weitere Erleichterung ist vorgesehen, dass Gesellschaften auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung in den Grenzen des § 59 Abs. 2 AktG einen Abschlag auf den Bilanzgewinn zahlen dürfen. Von praktischer Bedeutung – und zwar unabhängig von den Erleichterungen im Hinblick auf die Einberufung und Durchführung von Hauptversammlungen im Jahr 2020 – ist schließlich, dass abweichend vom Normalfall im Falle von Verschmelzungs- oder Spaltungsmaßnahmen für die Handelsregisteranmeldung des übertragenden Rechtsträgers eine Schlussbilanz genügt, die sich auf einen nicht länger als zwölf Monate (anstellte der üblichen acht Monate) zurückliegenden Stichtag bezieht. Etwaige steuerliche Folgen einer Überschreitung der Frist von acht Monaten sind gesondert zu betrachten.

Schließlich will der Gesetzgeber mit einer Einschränkung der Anfechtbarkeit die Nutzung der neuen Möglichkeiten erleichtern: Technische Störungen führen nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Gesellschaft zur Anfechtbarkeit. Gleiches gilt für die Grundsatzentscheidung zur Durchführung einer rein virtuellen Versammlung.

Der Entwurf sieht ausdrücklich vor, dass die beschriebenen Regelungen nur für Hauptversammlungen gelten, die im Jahr 2020 stattfinden. Dies dürfte auch etwaige außerordentliche Hauptversammlungen erfassen.

Offene Punkte des Entwurfs

Dem Gesetzentwurf lässt sich nicht entnehmen, ob die beschriebenen Erleichterungen auch für Hauptversammlungen in Anspruch genommen werden können, zu denen bereits einberufen wurde, oder ob es zwingend einer Absage der Hauptversammlung verbunden mit einer erneuten Einberufung bedarf. Sofern insoweit keine Klarstellung erfolgt, sollten Gesellschaften vorsorglich davon ausgehen, dass eine neue Einberufung zu veröffentlichen ist, in der dann die Bedingungen für die Teilnahme und die Ausübung des Stimmrechts sowie die Erläuterungen des Verfahrens zur Stimmabgabe entsprechend angepasst sind. Dabei kann in jedem Fall auch von den beschriebenen Möglichkeiten zur Fristverkürzung Gebrauch gemacht werden.

Wünschenswert wäre überdies eine gesetzliche Klarstellung, ob Aktionären in einer rein virtuellen Hauptversammlung das Antragsrecht einzuräumen ist oder ob im Vorfeld der Versammlung übermittelte Gegenanträge (hinsichtlich derer es einer Anpassung der grundsätzlichen Übermittlungsfrist von 14 Tagen bedürfte) automatisch als auch in der Versammlung gestellt anzusehen sind. Offen ist ebenfalls, ob und wie das Recht einer Aktionärsminderheit zur Ergänzung der Tagesordnung zu handhaben ist. Dies sollte zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit gesetzlich klargestellt werden.

Handlungsempfehlung

Sollten die beschriebenen Neuregelungen in Kraft treten, so würde dies keinen unmittelbaren Handlungszwang für Gesellschaften auslösen. Diese wären zwar berechtigt, bereits jetzt auf eine rein virtuelle Hauptversammlung umzustellen. Zulässig wäre es aber ebenfalls, weiter abzuwarten, ob zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr eine Hauptversammlung doch noch als Präsenzveranstaltung abgehalten werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, könnte dann immer noch auf die Sonderregelungen für die COVID-19-Krise zurückgegriffen werden. Oft wird dafür die Frage relevant sein, ob für die Gesellschaft zeitkritische Beschlüsse gefasst werden sollen. Soweit virtuelle Optionen ernsthaft in Betracht kommen, sollte zeitnah eine Abstimmung mit dem HV-Dienstleister über technische Voraussetzungen und Möglichkeiten erfolgen.

DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

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