Legal Update – COVID-19: Steuerliche Entlastungsmaßnahmen zur Unterstützung betroffener Unternehmen in Deutschland

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Latham & Watkins LLPIn den letzten Tagen (wenn nicht sogar Wochen), hat sich COVID-19 großflächig in Deutschland ausgebreitet und viele Unternehmen dazu gezwungen, ihr operatives Geschäft zu reduzieren oder sogar vollständig einzustellen. Der Freistaat Bayern wie auch andere Bundesländer haben zur Eindämmung der Infektionsraten und der Ausbreitung des Virus Ausgangsbeschränkungen bzw. Kontaktverbote erlassen (weitere Informationen hier). Diese Maßnahmen haben bereits jetzt zu einer erheblichen Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit in Deutschland geführt, die wiederum nachteilige Auswirkungen auf die Liquidität und Finanzlage vieler Unternehmen hat – eine Entwicklung, die sich in den nächsten Wochen weiter intensivieren wird.

Die Bundesregierung (in Zusammenarbeit mit den Bundesländern) hat eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um den durch COVID-19 hervorgerufenen wirtschaftlichen Belastungen entgegenzuwirken. Zu diesen zählen auch Entlastungsmaßnahmen im Bereich Steuern, welche insbesondere die Liquidität der von COVID-19 betroffenen Unternehmen stärken und deren laufende Geschäftstätigkeit unterstützen sollen. Konkret hat das Bundesfinanzministerium (in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder) am 19. März 2020 zwei Schreiben veröffentlicht, in denen die unterschiedlichen Maßnahmen zugunsten der Steuerpflichtigen dargestellt wurden. [Die  BMF-Schreiben finden Sie hier zu Einkommen-/Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer].

Die beschlossenen Maßnahmen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Stundung von Steuerzahlungen (unter Verzicht auf Stundungszinsen)

Steuerpflichtige, welche nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von COVID-19 betroffen sind, können Stundung von fälligen Steuerzahlungen beantragen. Von der Entlastung durch Stundung erfasst sind nach dem Schreiben des BMF folgende Steuern: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer sowie die Umsatzsteuer. Dagegen sind Quellensteuern, wie insbesondere die Lohnsteuer sowie die Kapitalertragsteuer – jedenfalls bisher – von den Erleichterungsvorschriften ausgenommen.

Nicht eindeutig klar ist, was unter dem Erfordernis „nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffen“ zu verstehen ist. Dennoch haben das BMF wie auch schon mehrere Landesfinanzbehörden klargestellt, dass die Finanzämter hieran keine strengen Anforderungen stellen werden (sollen). Das BMF stellt in seinem Schreiben insbesondere sogar klar, dass ein Antrag auf Erleichterung nicht deshalb abzulehnen ist, weil der Steuerpflichtige die negativen Auswirkungen von COVID-19 auf sein Unternehmen wertmäßig nicht nachweisen kann. Diese proaktive und unbürokratische Vorgehensweise ist mittlerweile von einige Landesfinanzministerien bestätigt worden. Insgesamt ist uE von einer eher großzügigen Auslegung bei der Anwendung der Entlastungen auszugehen; naturgemäß kann eine nicht ganz einheitliche Handhabung durch unterschiedliche Finanzämter – jedenfalls in der Anfangszeit – nicht ganz ausgeschlossen.

Darüber hinaus sieht das Schreiben des BMF vor, dass im Fall der Gewährung einer Stundung in der Regel auf die Erhebung der gesetzlichen Stundungszinsen in Höhe von 6% p.a. verzichtet werden soll. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Höhe der gesetzlichen Zinsen derzeit in einem Verfahren beim Bundesverfassungsgericht überprüft wird.

Ein bundeseinheitliches Formular zur Beantragung der beschlossenen steuerlichen Entlastungen liegt nicht vor; einige Bundesländer haben hierzu Formulare auf den Webseiten der Landesfinanzministerien bzw. –steuerverwaltungen bereitgestellt (siehe beispielsweise das Formular für Bayern, abrufbar hier).

Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen

Über die Erleichterungen hinsichtlich fälliger Steuerzahlungen hinaus sollen die Steuerbehörden fällige Steuern auch nicht mehr vollstrecken dürfen, wenn der Steuerpflichtige nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von COVID-19 betroffen ist. Das Absehen von der Vollstreckung erfolgt entweder infolge eines entsprechenden Hinweises durch den Steuerpflichtigen an das jeweilige Finanzamt oder indem das Finanzamt auf andere Weise von den Umständen Kenntnis erlangt. In der Praxis ist allerdings zu empfehlen, dem Finanzamt von sich aus einen entsprechenden Hinweis zu geben.

In den betroffenen Fällen wird auf Säumniszuschläge, welche zwischen dem 19. März 2020 (dem Tag der Veröffentlichung der Entlastungsmaßnahmen) und dem 31. Dezember 2020 entstanden sind, verzichtet.

Anpassung von Vorauszahlungen

Auf Antrag eines Steuerpflichtigen, welcher von COVID-19 nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffen ist, sollen Steuervorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Umsatzsteuer angepasst (reduziert) werden. Dasselbe gilt für Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer, wobei diese Vorauszahlungen nicht nur auf Antrag des Steuerpflichtigen reduziert werden sollen, sondern auch, wenn das zuständige Finanzamt Kenntnis davon erlangt, dass der Steuerpflichtige von COVID-19 in nicht nur unerheblicher Weise betroffen ist. Auch hier ist in der Praxis zu empfehlen, dem Finanzamt von sich aus einen entsprechenden Hinweis zu geben.

Ebenso wie bei der Stundung von Steuerzahlungen sollen Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen nicht allein deshalb zurückgewiesen werden dürfen, weil der Antragsteller die negativen Auswirkungen von COVID-19 auf sein Unternehmen im Einzelnen wertmäßig nicht benennen kann.

Beschränkung der Maßnahmen

  • Die steuerlichen Entlastungsmaßnahmen finden, wie oben dargestellt, nur auf solche Steuerpflichtige Anwendung, welche nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von COVID-19 betroffen sind. Entsprechend den Stellungnahmen einiger Finanzministerien der Bundesländer sollen die jeweiligen Steuerbehörden diese Bestimmungen in großzügiger Weise anwenden. Es wird auf jeden Fall empfohlen, frühzeitig eine solche Maßnahme zu beantragen und eng mit dem zuständigen Finanzamt zusammenzuarbeiten.
  • Beginnend mit dem 19. März 2020 finden die steuerlichen Entlastungsmaßnahmen lediglich bis zum 31. Dezember 2020 Anwendung. Je nachdem, welche gesamtwirtschaftlichen Folgen COVID-19 auf deutsche Unternehmen hat, könnte dieser Zeitraum verlängert werden.
  • Hinsichtlich der Gewerbesteuer sollte beachtet werden, dass die Entscheidung hinsichtlich der Gewährung von Steuerstundungen bei den jeweiligen Gemeinden verbleibt und daher der Entscheidung im Einzelfall unterliegt.

Ausblick: weitere steuerliche Entlastungsmaßnahmen

Über die förmlich angenommenen Entlastungsmaßnahmen hinausgehend, könnten folgende zusätzliche Maßnahmen, wie sie in der Abgabenordnung vorgesehen sind, in Erwägung gezogen werden, um den von COVID-19 betroffenen Steuerpflichtigen weitergehend zu entlasten:

  • Verlängerung von Abgabefristen: Eine Verlängerung der Abgabefristen könnte den betroffenen Steuerpflichtigen und dessen Berater wirksam entlasten. Neben einer solchen administrativen Erleichterung, würde die Steuerveranlagung und Fälligkeit dann auch erst später in 2020 oder sogar erst in 2021 erfolgen, wodurch Liquidität für die nächsten Wochen gesichert wäre.
  • Billigkeitserlass: Auf Steuern kann (teilweise) verzichtet werden, wenn deren Erhebung eine besondere Härte im Einzelfall bedeuten würde. Die Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19. März 2020 beinhalten eine solche Entlastungsmaßnahme zwar nicht. Dennoch können Steuerpflichtige eine solche Entlastung im Einzelfall beantragen, wenn sie nachweisen können, dass die Erhebung der Steuer ihre wirtschaftliche Existenz ernsthaft bedroht oder zerstört.

Die aktuelle Situation kann als sehr dynamisch bezeichnet werden und es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass weitere Entlastungsmaßnahmen folgen werden.

DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

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