Aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Transparenzpflichten nach der OffenlegungsVO und TaxonomieVO?

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Seit dem 10. März dieses Jahres gilt die Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor („OffenlegungsVO“). Das bedeutet, dass insbesondere Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen), aber auch andere Unternehmen des Finanzsektors, schon heute offenlegen müssen, wie nachhaltig ihre Produkte sind. Die Adressaten der Verordnung müssen Anleger darüber informieren, inwieweit sie ökologische und soziale Kriterien und Standards der guten Unternehmensführung beachten.

Nach wie vor besteht in zentralen Fragen dieser Transparenzpflichten erheblich Rechtsunsicherheit. Beispielsweise ist bisher nicht abschließend geklärt, wann ein Finanzprodukt auf eine nachhaltige Investition abzielt und wann es nur einzelne ökologische oder soziale Merkmale aufweist. Für die Adressaten der Verordnung ist das problematisch. Verstöße gegen bestehende Transparenzpflichten unter der OffenlegungsVO können aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Gleiches gilt bei Verstößen gegen die Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 („TaxonomieVO“), welche neben der OffenlegungsVO steht und diese ergänzt und modifiziert.

TRANSPARENZPFLICHTEN: WER MUSS WANN WAS OFFENLEGEN?

Eine kleine Erleichterung bietet das zeitversetzte Wirksamwerden einzelner Transparenzpflichten unter der Offenlegungs- und der TaxonomieVO. Auch wenn die OffenlegungsVO bereits in Kraft getreten ist, müssen große Finanzmarktteilnehmer erst ab dem 30. Juni 2021 offenlegen, ob und wie sich ihre Investitionsentscheidungen nachteilig auf die Nachhaltigkeitsfaktoren auswirken. Ab dem 1. Januar 2022 sind alle Adressaten der Offenlegungs-VO verpflichtet, Anleger in regelmäßigen Berichten über ökologische und soziale Merkmale ihrer Finanzprodukte zu informieren. Ab Anfang 2022 gelten für bestimmte Finanzprodukte zusätzliche vorvertragliche und periodische Informationspflichten. Für alle Finanzprodukte, die nicht unter die OffenlegungsVO fallen, verlangt die TaxonomieVO ab diesem Zeitpunkt einen Warnhinweis. Informationspflichten zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel setzen ab dem 1. Januar 2022 ein. Transparenzpflichten hinsichtlich übriger Umweltziele greifen ein Jahr später.

AUFSICHTSRECHTLICHE KONSEQUENZEN VON VERSTÖSSEN

Bei Verstößen gegen die Transparenzenpflichten der OffenlegungsVO und der TaxonomieVO ist zwischen aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen zu unterscheiden.

Die OffenlegungsVO enthält keine Regelungen zu aufsichtsrechtlichen Konsequenzen von Verstößen. Art. 21 der TaxonomieVO verweist auf die nach Art. 14 OffenlegungsVO zuständigen Behörden der EU-Mitgliedsstatten. Diese sollen dafür sorgen, dass die Art. 5-7 TaxonomieVO eingehalten werden, indem die EU-Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen festlegen (Art. 22 TaxonomieVO). Beispielsweise eine Anpassung der Bußgeldvorschriften der § 120 WpHG und § 340 KAGB steht in Deutschland noch aus. Auch eine anderweitige nationale Umsetzung kommt im Rahmen der Vorgaben des Art. 22 TaxonomieVO aber in Betracht.

ZIVILRECHTLICHE KONSEQUENZEN VON VERSTÖSSEN

Parallel zu aufsichtsrechtlichen Konsequenzen kommen zivilrechtliche Konsequenzen in Betracht, wird gegen die Transparenzpflichten der OffenlegungsVO bzw. TaxonomieVO verstoßen, z.B. weil Anleger nicht oder fehlerhaft informiert werden.

Werden Informationen, die im Verkaufsprospekt bzw. im Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 und 2 KAGB aufzunehmen sind, unrichtig oder unvollständig aufgenommen, kommt eine Haftung nach § 306 Abs. 1 (ggf. i.V.m. § 307 Abs. 3) KAGB in Betracht. Der Anleger könnte in diesem Fall die Rücknahme seines Investmentanteils gegen Erstattung des gezahlten Anlagebetrags verlangen. Haupthaftungsadressat ist die KVG.

Bei im Hinblick auf die Transparenzpflichten der OffenlegungsVO / TaxonomieVO fehlerhaften Werbeerklärungen (außerhalb des Verkaufsprospekts bzw. Informationsdokuments nach § 307 Abs. 1 und 2 KAGB), können zudem Schadenersatzansprüche des Anlegers nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 und 2 BGB in Betracht kommen (c.i.c. - culpa in contrahendo). Weiterhin kommen deliktische Schadenersatzansprüche, insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB in Betracht.

Als Voraussetzung des Bestehens von deliktischen Ansprüchen des einzelnen Anlegers nach § 823 Abs. 2 BGB ist eine der zentralen Frage, ob den Vorschriften der OffenlegungsVO / TaxonomieVO, insbesondere Art. 8 TaxonomieVO (Transparenz in nichtfinanziellen Erklärungen bei Unternehmen), die Qualität eines „Schutzgesetzes“ zugunsten der Anleger zukommt (neben etwaig ebenfalls verletzten allgemeinen Verhaltenspflichten gemäß §§ 26 ff. KAGB). Der Bundesgerichtshof stellt insoweit u.a. die Anforderung, dass die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs des Anlegers im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint. Grundsätzlich steht im Kapitalmarktrecht aus aufsichtsrechtlicher Perspektive der Schutz der Anlegergemeinschaft im Vordergrund. Die Schaffung einer Vielzahl individueller Schadenersatzansprüche würde diesem Grundsatz widersprechen. Nicht jeder kapitalmarktrechtlichen Regelungen kann daher ein individualschützender Charakter zugesprochen werden. Es ist im Einzelfall zu prüfen: Beispielsweise könnte hinsichtlich Art. 8 TaxonomieVO (Transparenz in nichtfinanziellen Erklärungen bei Unternehmen) der Erwägungsgrund 22 Satz 2 der TaxonomieVO eher für ein Schutzgesetz sprechen, wonach der europäische Gesetzgeber davon ausgeht, dass die von Art. 8 TaxonomieVO erfassten Angaben „für Anleger nützlich“ sind. Auch Art. 5-7 TaxonomieVO dienen, laut Erwägungsgrund 18 Satz 1 TaxonomieVO der „Wahrung der Anlegerinteressen“.

Nach § 826 BGB haftet die KVG dem Anleger, wenn deren Organe oder Verrichtungsgehilfen das Vermögen des Anlegers sittenwidrig und vorsätzlich schädigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird z.B. die bloße Verwendung eines im Hinblick auf bestehende Transparenzpflichten unrichtigen Prospekts ein derartiges Sittenwidrigkeitsurteil i.d.R. nicht begründen. Eine entsprechende Haftung käme eher in Betracht, wenn die KVG interessierten Anlegern gezielt falsch suggeriert, dass sich die Verwaltung des Fonds z.B. nach bestimmten i.S. der TaxonomieVO „nachhaltigen“ Kriterien richtet, obwohl dies nicht der Fall ist. KVGen sollten sich bewusst sein, dass eine Praxis, prominent mit Nachhaltigkeitskriterien zu werben, die im Ergebnis nicht erfüllt werden („Greenwashing“) ein haftungsrechtliches Risiko bedeutet. Dies gilt umso mehr, da durch die TaxonomieVO konkrete Maßstäbe definiert werden, an denen sich die „Nachhaltigkeit“ eines Anlageprodukts prüfen lässt.

SCHADENERSATZ BEI VERSTÖSSEN GEGEN TRANSPARENZPFLICHTEN

Rechtsfolge (quasi-) vertraglicher, wie auch deliktischer, Schadenersatzansprüche des Anlegers ist zunächst ein Anspruch auf Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB, d.h. auf Herstellung des Zustands, der bestehen würde, hätte z.B. die KVG nicht ihre Pflichten unter der OffenlegungsVO oder der TaxonomieVO verletzt. Insoweit ist zunächst an eine Rückabwicklung des Investments zu denken (vgl. § 306 KAGB). Begehren Anleger darüber hinaus einen finanziellen Ausgleich für Schäden, die ihnen durch eine Verletzung von Transparenzpflichten entstanden sind, stellt sich die Frage, wie derartige Schäden der Höhe nachzuberechnen sind.

Grundsätzlich knüpft die Schadensbemessung im deutschen Recht an ökonomische Verluste, die dem Anspruchsinhaber durch ein pflichtwidriges Verhalten entstanden sind. Trifft der Anleger seine Investmententscheidung auf Grundlage von Informationen, welche mit den Vorgaben der OffenlegungsVO bzw. TaxonomieVO nicht in Einklang zu bringen sind und verringert sich der finanzielle Wert des Investmentvermögens, kann der entsprechende Wertverlust einen ersatzfähigen Vermögensschaden des Anlegers darstellen.

Ist ein derartiger Vermögensschaden des Anlegers nicht ersichtlich, stellt sich die Frage, ob der Anleger nicht gleichwohl Schadenersatz verlangen kann, z.B. weil außerökonomische Ziele, die er mit seiner Investmententscheidung verfolgt, nicht erreicht werden. Im Ergebnis stellt sich damit die Frage nach der „Wertdifferenz“ zweier Investmentvermögen, die sich in ihrer finanziellen Entwicklung entsprechen, bei denen aber nur eines die vom Anleger als relevant erachteten außerökonomischen Kriterien erfüllt.

Aus Sicht des deutschen Schadensersatzrechts ist zu beachten, dass selbst messbare, eingetretene ökologische Schäden, ohne dass weitergehende Schäden an geschützten Individualrechtsgütern eintreten, i.d.R. nicht zu einem ersatzfähigen Vermögensschaden führen. Ökologische Schäden werden überwiegend als nicht ersatzfähige, immaterielle Schäden (§ 253 BGB) qualifiziert. Ob im Falle einer Zweckverfehlung weit weniger fassbarer außerökonomische Ziele bei Investmententscheidungen aufgrund der OffenlegungsVO / TaxonomieVO nun etwas anderes gelten wird, z.B. im Hinblick auf die Verfehlung sozialer Zielsetzungen, ist fraglich. Zwar verlangt der völkerrechtliche und europarechtliche Hintergrund der OffenlegungsVO und der TaxonomieVO deren effektive Umsetzung auch in Deutschland. Unabhängig von dieser rechtlichen Notwendigkeit, dürfte es - rein praktisch - schwerfallen, eine objektiv nachvollziehbare und generalisierbare Methode zu finden, anhand derer ein Anlegerschaden im Falle der Verfehlung außerökonomischer Ziele beziffert werden kann.

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