COVID-19: Kontaktverbote – Haftungsrisiken vermeiden

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Latham & Watkins LLPFlächendeckende Einführung von Kontaktverboten – teilweise gelten strengere Maßnahmen

Die Bundesregierung hat sich am 22. März 2020 mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer auf die Einführung von flächendeckenden Kontaktverboten geeinigt. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Bundesländer oder einzelne Landkreise (weiterhin) strengere Regelungen erlassen bzw. beibehalten. Die Einigung sieht diese Möglichkeit laut der Pressemitteilung der Bundesregierung ausdrücklich vor. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Einigung über die Mindestbeschränkungen hat beispielsweise die Bayerische Staatsregierung angekündigt, an den bereits beschlossenen, weitergehenden Regelungen festhalten zu wollen, auch wenn sich inhaltlich dadurch für Unternehmen nicht zwingend etwas ändern muss.

Damit müssen sich Unternehmen, insbesondere wenn sie Betriebsstätten in verschiedenen Bundesländern haben oder Arbeitnehmer über Landesgrenzen hinweg anreisen, ggf. mit unterschiedlichen Regelungen und unterschiedlichen Pflichtenmaßstäben auseinandersetzen. Unternehmen müssen sich nunmehr unmittelbar auch zu ihrem Pflichtenkorsett, das sich aus der Umsetzung der gestern beschlossenen Regelungen, Gedanken machen und verschiedene Maßnahmen umsetzen. Dabei gibt es gegenüber unseren Empfehlungen im Rahmen von Ausgangssperren Besonderheiten zu beachten, um mögliche Haftungsrisiken zu vermeiden.

Welche Regelungen gelten im Rahmen der Kontaktverbote?

Bund und Länder haben sich auf die folgenden Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte verständigt:

  • Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Haushalts sollen auf ein absolut nötiges Minimum reduziert werden.
  • In der Öffentlichkeit soll zu Personen außerhalb des eigenen Haushalts ein Mindestabstand von mindestens 1,5 m eingehalten werden.
  • Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Haushalts gestattet.
  • Der Weg zur Arbeit, zur Notbetreuung, Einkäufe, Arztbesuche, Teilnahme an Sitzungen, erforderlichen Terminen und Prüfungen, Hilfe für andere oder individueller Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie andere notwendige Tätigkeiten bleiben weiter möglich.
  • Der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen in Gruppen (bspw. für Feierlichkeiten) soll verboten werden.
  • Gastronomiebetriebe sollen mit der Ausnahme von Liefer- und Abholservices für den Publikumsverkehr geschlossen werden.
  • Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe sollen geschlossen werden. Dies gilt ausdrücklich nicht für medizinisch notwendige Behandlungen.
  • In allen Betrieben und insbesondere solchen mit Publikumsverkehr sollen die Hygienevorschriften eingehalten und wirksame Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und Besucher eingeführt werden.
  • Diese Maßnahmen sollen eine Geltungsdauer von mindestens zwei Wochen haben.

Wie werden die Kontaktverbote umgesetzt?

Die Länder müssen diese Leitlinien nun konkretisieren und jeweils in Landesrecht umsetzen. Es bleibt abzuwarten, auf Grund welcher konkreten Gesetze dies erfolgt. In Frage kämen das Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder auch landesrechtliche Polizei- und Ordnungsgesetze. Auf der Grundlage des IfSG kommen grundsätzlich der Erlass von Rechtsverordnungen, aber auch die Anordnung von Allgemeinverfügungen in Betracht (Näheres dazu finden Sie hier). Aber auch Rechtsakte auf der Grundlage der Polizeigesetze der Länder sind nicht auszuschließen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstoß gegen die Kontaktverbote?

Laut der Pressemitteilung der Bunderegierung sollen die Verstöße gegen die Kontaktbeschränkungen von den Ordnungsbehörden und der Polizei überwacht und bei Zuwiderhandlungen sanktioniert werden. Es gibt jedoch keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Art und Höhe der angedrohten Sanktionen. Die zuvor beschriebene Möglichkeit einer unterschiedlichen Umsetzung anhand landesrechtlicher Regelungen ist nicht nur wegen der genauen Inhalte, sondern auch wegen etwaiger Sanktionen relevant, die bei Verstößen drohen. Hinsichtlich der beispielsweise im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes möglichen Sanktionen verweisen auf unseren Client Alert zu Ausgangssperren.

Wie können Unternehmen Haftungsrisiken vermeiden?

Wie bereits bei den Ausgangssperren müssen sich Unternehmen, die ihren Betrieb aufrechterhalten, mit den Konsequenzen der Kontaktverbote auseinandersetzen. Zwar soll die Mindestabstand-Regelung vorwiegend im öffentlichen Raum gelten, allerdings gilt eine klare Empfehlung, Kontakte zu anderen Menschen auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Zudem gibt es konkrete Vorgaben für Unternehmen. Die Regelungen geben damit auch den Maßstab der Aufsichtspflicht von Unternehmens­verantwortlichen vor, der durch die landesrechtliche Umsetzung weiter konkretisiert wird. Konkret sollten Unternehmen folgende Entscheidungs- und Organisationsprozesse einleiten, überdenken oder verfeinern:

  • Prüfung der Rechtslage: Zunächst sollten Unternehmen die weitere Entwicklung beobachten und die für sie geltenden Regeln in Erfahrung bringen. Die Kontaktverbote können sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Parallel können Ausgangsbeschränkungen gelten. Das kann zu Auswirkungen auf die eigenen Prozesse, die Mitarbeiter und die Lieferketten führen. Unternehmen, die in mehreren Bundesländern Betriebsstätten haben oder deren Mitarbeiter über Landesgrenzen hinweg anreisen, müssen sich entscheiden, ob sie einheitlich die Regeln des einschlägigen Bundeslandes mit den strengsten Vorgaben erfüllen, oder ob die Standorte jeweils nur die örtlichen Vorgaben erfüllen. Nur eine saubere Prüfung und Umsetzung der jeweils für ein Unternehmen geltenden Rechtslage vermeidet die Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten und entsprechende Sanktionen.
  • Arbeitgeberbescheinigung: Unternehmen sollten für ihr jeweiliges Bundesland prüfen, ob Bescheinigungen für Arbeitnehmer für das Erreichen der Arbeitsplätze notwendig sind oder ggf. angepasst werden müssen.
  • Innerbetriebliche Organisation und wirksame Schutzmaßnahmen: Der Regelungskatalog spricht direkt Unternehmen an und fordert neben der Einhaltung der Hygienevorschriften auch „wirksame Schutzmaßnahmen“. Noch ist offen, ob und inwieweit solche Schutzmaßnahmen für Unternehmen in den jeweiligen Bundesländern weiter konkretisiert werden. Bis dahin gilt insbesondere:
    • Soweit der Betrieb des Unternehmens weiter aufrecht erhalten wird, sollten (mindestens) Regelungen zur Einhaltung der Mindestabstände bei innerbetrieblichen Zusammenkünften (etwa in Mittagspausen, Kantinen, Arbeitsbereichen, Raucherzonen, etc.) aufgestellt, entsprechend kommuniziert und überwacht werden. Besprechungen sollten möglichst per Internet oder Telefon durchgeführt werden. Wenn ein persönliches Treffen erforderlich ist, sollten möglichst große Besprechungsräume gewählt werden und nur eine möglichst geringe Personenzahl anwesend sein. Generell sollte es nicht zu Anhäufungen von Personen kommen und „Staufallen“ – etwa bei Dienstende – vermieden werden.
    • Darüber hinaus gibt es seitens der Behörden und Fachinstitutionen diverse allgemeine Empfehlungen für Unternehmen. Unternehmen sollten daher sicher stellen, dass diese Empfehlungen entsprechend umgesetzt werden. Empfehlungen gibt es aktuell etwa seitens der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Biostoffe/FAQ/FAQ_node.html oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/). Darüber hinaus bleibt das Robert-Koch-Institut weiterhin zentrale Quelle für Empfehlungen zum Umgang mit den Risiken im Zusammenhang mit COVID-19.
    • Schließlich kann es branchenspezifisch – etwa über Branchenverbände – besondere Empfehlungen geben (etwa Branchen mit hohem Publikumsverkehr). Unternehmen sollten daher auch insoweit entsprechende Verlautbarungen sorgfältig beobachten.
  • Außerbetriebliche Organisation: Darüber hinaus sollten Unternehmensrichtlinien oder -vorgaben zu außerbetrieblichen Aktivitäten angepasst werden; auch hier handelt es sich um relevante Schutzmaßnahmen im vorgenannten Sinne. So sollten Dienstreisen möglichst eingestellt werden. Soweit auf Dienstreisen nicht gänzlich verzichtet werden kann, sollte das Verhalten in den verschiedenen Verkehrsmitteln (etwa Bahn, Taxi, etc.) sowie die Wahl der Verkehrsmittel optimiert werden.
  • Dokumentation: Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (etwa des IfSG) sollten zum späteren Nachweis gut dokumentiert werden. Soweit noch nicht geschehen, sollten entsprechende interne Zuständigkeitszuweisungen und sonstige organisatorische Maßnahmen getroffen werden. Das Unternehmen und dessen Verantwortliche vermeiden auf diese Weise, genau wie durch die angesprochenen Arbeitgeberbescheinigungen, bei Zuwiderhandlungen der eigenen Mitarbeiter spätere Geldbußen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Als „worst case-Szenario“ kann Unternehmensverantwortlichen bei einer sorglosen Umsetzung der entsprechenden Vorgaben sogar der Vorwurf drohen, sich nach den Grundsätzen der sog. „Geschäftsherrenhaftung“ infolge ihrer Garantenstellung selbst wegen eines Unterlassens strafbar zu machen.

DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

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