Abwerbeverbote und „Sperrabreden“ in Deutschland

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Die Vereinbarung von Abwerbestopps und Einstellungsverboten zwischen führenden Unternehmen der IT-Branche führte kürzlich im Silicon Valley, Kalifornien, zu einem handfesten Skandal, in dessen Folge die Unternehmen ihren Arbeitnehmern 415 Mio. US-Dollar Schadenersatz zahlen mussten. Solche Vereinbarungen sind weltweit üblich, doch sind sie rechtlich auch in Deutschland zulässig?

Um die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung zu beurteilen, muss zwischen Abwerbeverboten und sog. Sperrabreden (echten Anstellungsverboten) unterschieden werden. Bei einem reinem Abwerbeverbot verpflichten sich die Unternehmen, Arbeitnehmer des jeweils anderen nicht aktiv zum Wechsel des Arbeitsplatzes zu motivieren. Bei den sog. Sperrabreden geht es darüber hinaus um die Vereinbarung, dass die Arbeitnehmer des jeweils anderen Unternehmens selbst dann nicht eingestellt werden dürfen, wenn diese aktiv und von sich aus auf den Arbeitgeber zugehen (etwa auf eine Stellenanzeige reagieren). Solche Sperrabreden beeinträchtigen nicht nur die Freiheit der Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz frei zu wählen, sondern haben unmittelbaren Einfluss auf die regionale Gehaltssituation, weil sich die Unter­nehmen nicht im Wettbewerb um Arbeitskräfte befinden und dadurch in den angebotenen Gehältern überbieten.

In Deutschland kommen sowohl Abwerbe- als auch Anstellungsverbote, z.B. auf dem hochspezialisierten IT-Sektor vor. Aber auch bei Unternehmensverkäufen findet man häufig als Vertragsanlage Listen mit Arbeitnehmern, die über einen bestimmten Zeitraum vom Käufer nicht eingestellt bzw. nicht abgeworben werden dürfen.

Gemäß § 75 f HGB sind Anstellungsverbote in Deutschland zwar nicht grundsätzlich un­wirksam. Wegen des hohen Schutzes der freien Arbeitsplatzwahl gibt es jedoch keine Möglichkeit, die Ein­haltung von Anstellungsverboten gerichtlich durchzusetzen. Im Hinblick auf die Wirksamkeit von Abwerbeverboten hat nunmehr eine Entscheidung des BGH vom 30. April 2014 für ein wenig Klarheit gesorgt. Nach Auffassung des BGH seien Abwerbeverbote, ebenso wie Anstellungsverbote, von der Vorschrift des § 75 f HGB erfasst und grundsätzlich nicht durchsetzbar. Das Recht auf freie Arbeitsplatzwahl sowie das Recht der Arbeitnehmer auf freie berufliche Weiterentwicklung würden auch durch ein Abwerbeverbot eingeschränkt.

Dennoch, so die Bundesrichter, kann es von der grundsätzlichen Undurchsetzbarkeit von Abwerbeverboten Ausnahmen geben. Sie seien insbesondere dann zulässig und damit gerichtlich durchsetzbar, wenn zwischen den Unternehmen ein Vertrauensverhältnis besteht und das Abwerbeverbot dazu dient, deren loyale Zusammenarbeit zu schützen. Dieser Zweck besteht aber zeitlich nicht unbegrenzt fort. Demnach müssen durchsetzbare Abwerbeverbote zeitlich auf die Dauer des Vertrauensverhältnisses sowie die darauffolgenden zwei Jahre (Maximalgrenze), begrenzt sein.

Sollte es einem Arbeitnehmer gelingen, im Einzelfall zu beweisen, dass er aufgrund eines rechtswidrigen Ab­werbe­verbots oder einer unzulässigen Sperrabrede einen konkreten Schaden erlitten hat, z.B. durch eine wegen der unzulässigen Abreden niedriger ausfallenden Entlohnung, so steht auch nach deutschem Rechts der Geltendmachung eines solchen Schadens grundsätzlich nichts entgegen. Praktisch dürfte dies allerdings nur sehr selten darzulegen oder gar zu beweisen sein.

 

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