Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor veröffentlicht – was Finanzmarktteilnehmer veranlassen sollten

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Mit Newsletter vom 04. November 2019 haben wir über die Pläne der EU zur Förderung nachhaltigen Wirtschaftens und der entsprechenden Umgestaltung des Finanzsystems berichtet. So soll insbesondere eine EU-Taxonomie-Verordnung festlegen, was „nachhaltig“ ist und damit den Grundstein für einen EU-Rahmen legen, der die Aspekte Umwelt, Soziales und Governance (Environmental Social Governance – ESG) in das Finanzsystem integriert. Korrespondierend hierzu soll eine Verordnung über Offenlegungspflichten sicherstellen, dass Finanzmarktteilnehmer, wie zB Kapitalverwaltungsgesellschaften, ESG-Aspekte in ihre internen Prozesse einbeziehen und ihre Kunden hierüber unterrichten. Diese Verordnung ist nun am 09. Dezember 2019 veröffentlicht worden. Über den Inhalt der Verordnung und deren Folgen für Ihr Geschäft informieren wir Sie im Folgenden.

In Depth


1. Einordnung – der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums

Der bereits am 8. März 2018 verabschiedete Aktionsplan der EU-Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums nennt als eine von mehreren beabsichtigten Maßnahmen zur Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft die „Klärung der Pflichten institutioneller Anleger und Vermögensverwalter“. Die Maßnahme zielt darauf ab, institutionelle Anleger und Vermögensverwalter ausdrücklich anzuhalten, Nachhaltigkeitsaspekte in den Entscheidungsprozess für Investitionen einzubeziehen und den Anlegern gegenüber transparenter zu machen, wie diese Aspekte bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden. Die Kommission hat jedoch nicht nur bestehende Pflichten der Finanzmarktakteure geklärt, sondern ihnen auch gänzlich neue Pflichten auferlegt. Künftig müssen sie öffentlich machen, ob und wie Nachhaltigkeitskriterien im Rahmen ihres Risikomanagements, in ihren Anlagestrategien und ihren Produkten berücksichtigt werden.

2. Adressaten

Die Verordnung betrifft „Finanzmarktteilnehmer“ und somit insbesondere AIF- und OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften. Auch Versicherungen, die Anlageprodukte anbieten, sowie Banken, welche Portfolioverwaltung betreiben, sind umfasst. „Finanzberater“, zu denen u.a. Banken und Wertpapierdienstleister gehören, die Anlageberatung für ihre Kunden erbringen, werden ebenfalls erfasst.

3. Pflichten

Die betroffenen Finanzmarktteilnehmer müssen künftig sowohl auf ihrer Internet-Präsenz als auch in der Dokumentation ihrer Produkte über ihren Umgang mit ESG-Themen informieren. Werden Fonds bzw. Produkte als nachhaltig beworben, so muss detailliert dargelegt werden welche Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden, anhand welcher Benchmarks, Datenquellen und Kriterien sie gemessen werden und auch rückblickend, inwieweit das Produkt zu diesen Zielen wirklich beigetragen hat. Auch wenn keine explizit „grünen“ Fonds angeboten werden – also beispielsweise für den Großteil der Immobilienfonds – gelten folgende allgemeinen Transparenzpflichten:

Die Finanzmarktteilnehmer müssen auf ihrer Homepage beschreiben, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Anlageentscheidungen und ihre Vergütungspolitik einbeziehen. Dabei kann es z.B. darum gehen, wie Hochwassergefahren infolge des Klimawandels beim Kauf von Immobilien in niedrigen Lagen geprüft und berücksichtigt werden. Voraussetzung für die Veröffentlichung ist natürlich, dass die internen Richtlinien und Prozesse entsprechend ergänzt werden.

Zusätzlich soll eine Erklärung veröffentlicht werden, wie nachteilige Auswirkungen von Anlageentscheidungen auf ESG-Faktoren berücksichtigt werden. Im Bereich „Governance“ soll beispielsweise dargelegt werden, ob sich der Finanzmarktteilnehmer auf einen Corporate Governance-Kodex verpflichtet hat. Im Bereich „Environmental“ ist u.a. zu erläutern, ob und wie er sich am Pariser Klimaschutzübereinkommen ausrichtet. Ergänzend müssen individuelle Strategien und Maßnahmen beschrieben werden. Z.B. könnte ein Anbieter von Immobilienfonds Projektentwicklungen auf unerschlossenem Grünland vermeiden, wenn er die negativen Auswirkungen der Bodenversiegelung für einen wichtigen Faktor hält. Ebenso wie bei den Nachhaltigkeitsrisiken müssen Strategien und Prozesse intern festgelegt werden, bevor sie nach außen kommuniziert werden können.

In den Verkaufsprospekten der Fonds bzw. Produkte soll ebenfalls dargelegt werden, wie Nachhaltigkeitsrisiken in die Anlageentscheidungen einbezogen werden. Außerdem ist zu beschreiben, wie der Einfluss solcher Risiken auf die Rendite des Anlageprodukts eingeschätzt wird.

Auch Ausführungen zur Berücksichtigung von nachteiligen Auswirkungen auf ESG-Faktoren sind gefordert, allerdings hier bezogen auf den einzelnen Fonds. Ergänzend sollen wesentliche ESG-Nachteile, die während des Geschäftsjahres des Fonds aufgetreten sind, im Jahresbericht angegeben werden.

4. Ausnahmen

(Nur) von der Veröffentlichungspflicht zu nachteiligen Auswirkungen gibt es eine dauerhafte Ausnahmemöglichkeit für Finanzmarktteilnehmer, die entweder allein oder konsolidiert mit Tochterunternehmen weniger als 500 Mitarbeiter haben. Das trifft zwar auf zahlreiche Fondsgesellschaften zu; Wer von der Ausnahme Gebrauch macht, muss jedoch auf seiner Homepage „klare Gründe“ angeben, warum er nicht veröffentlicht, und darlegen ob und wann er in Zukunft plant, nachteilige ESG-Auswirkungen zu berücksichtigen. Der „Schamfaktor“ wurde somit von der EU bewusst hoch angesetzt. (Mutter-) Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern dürfen von dieser Möglichkeit lediglich bis 30. Juni 2021 Gebrauch machen.

5. Zeitplan

Die neuen Vorgaben werden bei den betroffenen Finanzmarktteilnehmern erheblichen Anpassungsaufwand verursachen. Dennoch sind die Umsetzungsfristen vergleichsweise kurz. Die Offenlegungen im Internet sind ab dem 10. März 2021 zwingend. Prospektangaben zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken müssen ebenfalls ab dem 10. März 2021 erfolgen, Prospektangaben zu nachteiligen ESG-Auswirkungen ab dem 31. Dezember 2022.

6. Bewertung und Ausblick

Der Umfang der neuen Pflichten ist für die betroffenen Finanzmarktteilnehmer herausfordernd. Jeder Fonds und jedes Produkt, unabhängig von der Anlagestrategie, muss „angefasst“ werden, da die Dokumentation überarbeitet werden muss. Im Immobilienbereich kommt hinzu, dass es an belastbaren und vergleichbaren Daten zur Beurteilung des Einflusses von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Anlageobjekte und deren Rendite fehlt. Das gleiche gilt für den umgekehrten Fall des nachteiligen Einflusses auf ESG-Güter durch Immobilienanlagen. Schließlich kommt hinzu, dass weitere Konkretisierungen durch untergesetzliche Maßnahmen der EU noch nicht oder nicht vollständig vorliegen, wenn die Offenlegungen verpflichtend werden. Die Umsetzung muss deshalb erfolgen, wohl wissend dass die Weiterentwicklung der EU-Vorgaben noch zu Änderungsbedarf führen kann.

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