Zum Freistellungsanspruch bei krankem Kind

McDermott Will & Emery
Contact

Jetzt, da die Grippewelle wieder anrollt, stellen sich sowohl viele Eltern als auch deren Arbeitgeber wieder dieselben Fragen: Habe ich als Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung, wenn mein Kind krank ist? Muss die Vergütung weiter gezahlt werden? Wie sollte in der Praxis bei der Erkrankung eines Kindes vorgegangen werden?

Wie so oft können diese Fragen mangels einheitlicher gesetzlicher Grundlage nicht pauschal beantwortet werden. Die Antworten fallen je nach Einzelfall anders aus aber es gibt Grundsätze.

Ein Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung besteht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) nur dann, wenn der Arbeitnehmer selbst erkrankt ist. Für die Betreuung eines erkranken Kindes gelten die Vorschriften des EFZG nicht.

§ 45 SGB V gewährt gesetzlich Krankenversicherten einen Anspruch auf Freistellung sowie Krankengeldzahlung. Für das erste kranke Kind dürfen die Eltern jeweils 10 Tage im Jahr zu Hause bleiben. Bei zwei Kindern sind es je Elternteil 20 Tage jährlich, ab drei Kindern je Elternteil 25 Tage. Für Alleinerziehende gilt jeweils die doppelte Anzahl an Tagen. Hat das Kind eine lebensbedrohliche Krankheit, besteht ein unbefristetes Anrecht auf Freistellung sowie Krankengeld von der Krankenkasse. Dem Arbeitnehmer werden als Krankengeld lediglich 70 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens, maximal 90 Prozent des Nettogehalts, weiter gezahlt. Sind beide Eltern privatversichert, besteht kein Anspruch auf Unterstützung durch die gesetzliche Krankenversicherung. Gleiches gilt, wenn das erkrankte Kind privatversichert ist.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Pflege kranker Kinder gem. § 616 BGB – dies indes nicht schrankenlos. Fällt der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aus persönlichen Gründen aus, muss der Arbeitgeber gemäß § 616 BGB die Vergütung fortzahlen. Die notwendige Betreuung erkrankter Kinder stellt einen „persönlichen Grund“ im Sinne dieser Vorschrift dar. Notwendig ist die Betreuung durch den Arbeitnehmer nur dann, wenn kein anderer Weg der Betreuung gefunden werden kann. Einzelfallabhängig ist die Beurteilung, was unter einer „verhältnismäßig nicht erheblichen“ Zeit zu verstehen ist. Das BAG (Az.: 2 AZR 834/76) hat einen Richtwert von fünf Arbeitstagen für die Betreuung eines Kindes unter acht Jahren für angemessen gehalten. Vereinzelt erlauben einige Instanzgerichte den Eltern zur Pflege eines erkrankten Kindes jedoch auch Fehlzeiten von bis zu zehn Tagen, abhängig vom Alter des Kindes und der Dauer des  Arbeitsverhältnisses sogar im Einzelfall noch länger. Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Vergütung entsprechend § 616 BGB weiter, gibt § 45 SGB V dem Arbeitnehmer lediglich einen Freistellungsanspruch. Ein darüber hinaus gehender Anspruch auf Krankengeldzahlung besteht in diesem Fall nicht.

Neben der gesetzlichen Regelung sehen Tarifverträge oder Arbeitsverträge häufig Sonderregelungen zur Freistellung und Fortzahlung der Vergütung im Fall der persönlichen Arbeitsverhinderung vor. Möglich ist insbesondere die Festlegung einer bestimmten Höchstgrenze an Tagen, für die der Arbeitgeber die Vergütung fortzahlen muss. Zulässig ist auch, den Vergütungs- und Freistellungsanspruch gemäß § 616 BGB im Arbeitsvertrag gänzlich auszuschließen.

Nicht abgedungen werden kann dagegen der Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach § 45 SGB V. Daraus folgt, dass der Anspruch gemäß § 45 SGB V gegenüber der Krankenkasse bereits ab dem ersten Tag voll zum Tragen kommt, wenn durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag der Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB abgedungen wurde.

Ebenso wie im Fall der eigenen Erkrankung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG), muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auch im Fall der Betreuung eines erkrankten Kindes unverzüglich davon unterrichten, dass und wie lange er voraussichtlich ausfällt. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über die Erkrankung des Kindes vorlegen. Kommt der Arbeitnehmer seinen Nachweis- und Anzeigepflichten nicht nach, ist der Arbeitgeber, parallel zum Fall der eigenen Erkrankung, zur Abmahnung berechtigt. Nach wiederholt erfolgloser Abmahnung kommt gegebenenfalls sogar eine Kündigung in Betracht.

Erkrankt das Kind im regulären Urlaub der Eltern, können diese im Gegensatz zu einer eigenen Erkrankung keine Freistellung verlangen. Berufstätige Eltern bekommen keine freien Tage gutgeschrieben, wenn sie im Urlaub ihr krankes Kind betreuen. Der Urlaub gilt in diesem Fall als genommen.

DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations. Attorney Advertising.

© McDermott Will & Emery

Written by:

McDermott Will & Emery
Contact
more
less

PUBLISH YOUR CONTENT ON JD SUPRA NOW

  • Increased visibility
  • Actionable analytics
  • Ongoing guidance

McDermott Will & Emery on:

Reporters on Deadline

"My best business intelligence, in one easy email…"

Your first step to building a free, personalized, morning email brief covering pertinent authors and topics on JD Supra:
*By using the service, you signify your acceptance of JD Supra's Privacy Policy.
Custom Email Digest
- hide
- hide