Geplante Digitalisierung Des Gesellschaftsrechts: Die Eu-gesellschaftsbescheinigung

McDermott Will & Emery

Im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr stoßen Akteure oft auf das Problem, dass nationale Handelsregisterdaten schwer vergleichbar sind. Das Fehlen verlässlicher Registerinformationen in einigen Mitgliedstaaten führt zudem zu einem aufwendigen Informationsbeschaffungsprozess und treibt unweigerlich die Kosten in die Höhe.

Auf diese Problematik hat die Europäische Kommission bereits im März 2023 mit einem Vorschlag für eine Digitalisierungsrichtlinie II reagiert, welche die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht weiterentwickeln soll („Kommissionsentwurf“). Am 14. Februar 2024 hat nunmehr der Rat der Europäischen Union seinen Entwurf zur Digitalisierungsrichtlinie II veröffentlicht („Ratsentwurf“), woraufhin bereits am 23. März 2024 eine Einigung im Trilog folgte. Diese Einigung hat zum Kompromisstext der Digitalisierungsrichtlinie II geführt, über den das Europäische Parlament am 24. April 2024 bereits in erster Lesung beraten hat („Kompromisstext“). Damit hat der Gesetzgebungsprozess eine weitere wichtige Hürde in Richtung Digitalisierung des Gesellschaftsrechts genommen.

Ein Schlüsselelement der vorgeschlagenen Digitalisierungsrichtlinie II ist die Einführung einer EU-Gesellschaftsbescheinigung (EU Company Certificate – „EU-Gesellschaftsbescheinigung“). Im Folgenden erläutern wir die Funktionsweise der EU-Gesellschaftsbescheinigung und ihre potenziellen Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr innerhalb des Binnenmarktes.

WEITERE INFORMATIONEN

I. Weshalb bedarf es einer Harmonisierung von Registerinformationen?

Das Erfordernis der Vorlage eines Handelsregisterauszugs begleitet die tägliche grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit vieler Akteure im In- und Ausland. Eine Vielzahl gesellschaftsrechtlicher Vorgänge erfordert einen Nachweis der Existenz der beteiligten Gesellschaft sowie der Vertretungsmacht der handelnden Personen. Auf nationaler Ebene können sich Gesellschaften dafür eines aktuellen Abdrucks des Handelsregisters (AD) sowie eines – inhaltlich umfangreicheren – chronologischen Abdrucks des Handelsregisters (CD) bedienen.

Sobald nationale Grenzen überschritten werden, beispielsweise im Rahmen der Gründung einer deutschen Zweigniederlassung einer ausländischen Muttergesellschaft, zeichnen sich erste Probleme hinsichtlich Beschaffung, Kosten, Vergleichbarkeit und Anerkennung von verlässlichen Registerinhalten zum erforderlichen Nachweis der Existenz und Vertretungsmacht der ausländischen Muttergesellschaft ab.

Dem soll die Digitalisierungsrichtlinie II nun mit einem umfassenden Maßnahmenpaket begegnen, welches verbindliche Mindestkontrollstandards sowie einen harmonisierten Unternehmensregisterauszug umfasst, der Gegenstand einer mitgliedstaatlichen Anerkennungspflicht sein soll.

II. Konzeption der EU-Gesellschaftsbescheinigung

Kernbestandteil dieses Maßnahmenpakets bildet dabei der Vorschlag zur Einführung der einheitlichen EU-Gesellschaftsbescheinigung, welche als Ausweisdokument für Personen- und Kapitalgesellschaften innerhalb der Union fungieren und dem Nachweis der Existenz des Unternehmens dienen soll.

Konkret ermöglicht die EU-Gesellschaftsbescheinigung beispielsweise den verbindlichen Nachweis der formalen Errichtungsanforderungen an die Gesellschaft und der Leistung der Einlage nach nationalem Recht. Gleichen wird die Bescheinigung damit dem aktuellen Abdruck (AD) des deutschen Handelsregisters. Die Bereitstellung der EU-Gesellschaftsbescheinigung soll grundsätzlich kostenpflichtig erfolgen, wobei Gesellschaften jedenfalls ihre eigene EU-Gesellschaftsbescheinigung ein Mal pro Jahr kostenfrei beantragen können.

Die Mitgliedstaaten sollen zur gegenseitigen Anerkennung der EU-Gesellschaftsbescheinigung und der darin enthaltenen Informationen verpflichtet sein. Damit könnte zukünftig von der grenzüberschreitenden Gleichwertigkeit der bereitgestellten Registerdaten ausgegangen werden. Eine separate Prüfung der Gleichwertigkeit der Registerinformationen des jeweiligen Mitgliedstaats entfiele.

Über die Anerkennung hinaus enthält die Digitalisierungsrichtlinie II eine weitere entscheidende Vereinfachung: Den Abbau von Sprachbarrieren. Die Erwägungsgründe des Kompromisstextes sehen vor, dass die in der Gesellschaftsbescheinigung enthaltenen Informationen in allen Amtssprachen verfügbar sein müssen; eine entsprechende explizite Vorschrift im eigentlichen Regelungstext hierzu fehlt derzeit jedoch noch.

Zudem sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die EU-Gesellschaftsbescheinigung in allen Amtssprachen anzuerkennen. Konkret also auch dann, wenn sie in einer von der Landessprache abweichenden europäischen Amtssprache vorgelegt wird. Sind bislang für die Anerkennung noch regelmäßig – für Zwecke von Handelsregisteranmeldungen sogar beglaubigte – Übersetzungen einzuholen, dürfte die Neuregelung zukünftig zu einem Wegfall von Kosten- und Zeithindernissen führen. Ungeklärt ist hierbei jedoch u.a. noch, wer die bereitgestellten Informationen in die jeweiligen Amtssprachen zu übersetzen hat. Der Kompromisstext schweigt sich auch zu dieser Frage noch aus.

Einem etwaigen Missbrauchsrisiko der EU-Gesellschaftsbescheinigung soll durch verschiedene Sicherheitsmerkmale, mit denen die Bescheinigung versehen wird, vorgebeugt werden. Einheitliche Prüf- und Kontrollnummern sind gleichwohl nicht vorgesehen, sodass den Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum zur Etablierung eigener zusätzlicher Verifizierungsmethoden verbleibt.

III. Welche Gesellschaftsinformationen erfasst die EU-Gesellschaftsbescheinigung?

Das Dokument folgt einem in dem Kompromisstext abschließend festgelegten Katalog an Mindestinformationen, welche über die jeweilige Gesellschaft bereitzustellen sind. Neben Angaben wie dem Namen, der Rechtsform sowie der Handelsregisternummer, sind auch der Status, der Tag der Eintragung, Informationen zu Gesellschaftern der Gesellschaft und der Vertretungsmacht handelnder Personen erfasst. Für Personengesellschaften enthält die EU-Gesellschaftsbescheinigung zudem Angaben zur persönlichen Haftung der Gesellschafter.

Der geplante Inhalt der EU-Gesellschaftsbescheinigung deckt sich damit auch in dieser Hinsicht weitestgehend mit dem Inhalt des aktuellen Registerauszugs des deutschen Handelsregisters.

Um den Sinn und Zweck der Bescheinigung zu erfüllen und den Nachweis von Gesellschaftsinformationen zuverlässig zu ermöglichen, sieht der Kompromisstext Regelungen vor, die die Aktualität und laufende Aktualisierung der Informationen sicherstellen sollen. Wenngleich nicht angegeben werden muss, wann eine Aktualisierung zuletzt erfolgt ist, müssen relevante Änderungen innerhalb von höchstens 15 Arbeitstagen bei dem Register gemeldet werden.

Mit der Sicherstellung der Einhaltung dessen sind die Mitgliedstaaten betraut. Den Mitgliedstaaten obliegt dabei ein Entscheidungsspielraum dahingehend, geeignete abschreckende Sanktionen sowie ihre Durchsetzung mit entsprechenden Maßnahmen anzudrohen und auszugestalten. Im Hinblick auf die effektive Durchsetzung der Aktualität der Angaben wird es daher zentral auf ein einheitliches Umsetzungsniveau der Mitgliedstaaten ankommen.

IV. Wie erfolgt die Beantragung der EU-Gesellschafterbescheinigung?

Die Beantragung der EU-Gesellschafterbescheinigung soll sowohl in Papierform als auch digital möglich sein. Entsprechende Muster werden in allen Amtssprachen bereitgestellt. Zudem soll die elektronische Fassung der Bescheinigung auch über das bereits bestehende Europäische System der Registervernetzung (Business Registers Interconnection System – BRIS) abrufbar sein, welches Zugang zu jenen Informationen gewährt, die durch die nationalen Register bereits veröffentlicht wurden.

Ungeklärt ist derzeit noch die Frage der Zugangsberechtigung, d.h. die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine EU-Gesellschafterbescheinigung gewährt wird und ob hierfür gegebenenfalls spezielle Zugangskriterien, wie bspw. ein geltend zu machendes berechtigtes Interesse an den Informationen, zu erfüllen sind. Der Kompromisstext geht in den Erwägungsgründen lediglich davon aus, dass auch dritte Parteien eine EU-Gesellschafterbescheinigung beantragen können, statuiert hierzu jedoch keine näheren Voraussetzungen.

V. Auswirkungen auf die Praxis

Die durch die Digitalisierungsrichtlinie II angestrebte EU-Gesellschafterbescheinigung vermag die häufig zeit- und kostenintensive Beschaffung, Gleichwertigkeitsprüfung und Übersetzung ausländischer Registerinhalte zu vereinfachen und bietet damit gegenüber nationalen Registerauszügen erhebliche Vorteile für den geschäftlichen Alltag.

Der finale und rechtssichere Nachweis über die Existenz der Gesellschaft beispielsweise zur Eröffnung eines Bankkontos oder auch der Vertretungsmacht handelnder Personen im Geschäftsverkehr kann damit künftig leicht zugänglich online abgerufen und durch die verpflichtende Anerkennung zügig auch grenzüberschreitend erbracht werden.

Für den Erfolg der EU-Gesellschafterbescheinigung ist die stetige Aktualität der Gesellschaftsinformationen jedoch unerlässlich. Es bleibt daher abzuwarten, welche Auswirkungen es haben wird, dass den Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Fristversäumnissen bei der Aktualisierung von Mitteilungen ein umfassender Entscheidungsspielraum eingeräumt wurde und einheitliche Sanktionsregelungen und Kontrollmechanismen fehlen.

Wünschenswert wäre ein gut austariertes und verhältnismäßiges Sanktionsregime, das gegenüber den betroffenen Gesellschaften die entsprechenden Anreize zur fortlaufenden Aktualisierung der Registerangaben setzt.

Aus praktischer Sicht dürfte dabei insbesondere von wesentlicher Bedeutung sein, wie – für die Zwecke der Anerkennung durch die nationalen Register – die Übersetzung der in der EU-Gesellschafterbescheinigung enthaltenen Informationen in die einzelnen Amtssprachen erfolgen soll, ob die Informationen tatsächlich in allen Amtssprachen verfügbar sein werden und ob die Antragstellung an spezielle Zugangsvoraussetzungen geknüpft wird oder für jedermann und in Bezug auf jede Gesellschaft möglich sein soll. Diese und weitere Aspekte sind im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch zu klären.

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