Bei der Kündigung eines stark übergewichtigen Arbeitnehmers sollten Arbeitgeber in Zukunft besondere Vorsicht walten lassen. Denn der EuGH hat entschieden, dass krankhafte Fettleibigkeit („Adipositas“) als Behinderung gelten kann, wenn sie zu deutlichen Einschränkungen bei der Teilhabe am Arbeitsleben führt (EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 –C-354/13). Die Entscheidung dürfte nicht nur für Kündigungen von Belang sein – schließlich kann auch die Ablehnung eines Bewerbers diskriminierend sein. Hier sollten Ablehnungsschreiben im Zweifelsfall jeden Bezug zum Gewicht des Bewerbers vermeiden. Geklagt hatte ein fettleibiger Tagesvater gegen seinen Arbeitgeber, die dänische Gemeinde Billund. Diese hatte dem Arbeitnehmer gekündigt, der im medizinischen Sinne als extrem adipös gilt. Die Gemeinde hatte die Entlassung zwar mit rückläufigen Kinderzahlen begründet. Der Tagesvater brachte jedoch vor, der Grund für die Kündigung nach 15 Arbeitsjahren vielmehr seine Fettleibigkeit sei. Dies stelle eine unzulässige Diskriminierung wegen einer Behinderung dar.
Der EuGH stellte zunächst klar, dass das EU-Recht kein allgemeines Verbot der Diskriminierung wegen Adipositas als solcher in Beschäftigung und Beruf enthält. Adipositas könne aber dann eine Behinderung sein, wenn sie so gravierend ist, dass sie eine Barriere für die volle und gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben darstellt. Dies komme bei einer besonders schweren Adipositas von langer Dauer in Betracht, die physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen mit sich bringt. Ob der Betroffene sein extremes Übergewicht selbst verursacht hat, ist nach dieser Definition irrelevant. Nun hat das dänische Ausgangsgericht prüfen, ob die Fettleibigkeit des Klägers unter die vom EuGH entwickelte Definition einer Behinderung fällt.
Die Entscheidung dürfte erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht haben. Denn bisher galten nur die Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit als Behinderung, wie etwa Diabetes oder chronische Rückenschmerzen. Nach der Entscheidung des EuGH kann nunmehr die krankhafte Übergewichtigkeit selbst als Behinderung gelten. Wer von dieser Behinderung betroffen ist, ist besonders vor Diskriminierung geschützt. Allerdings hat der EuGH kein allgemeines Diskriminierungsverbot etabliert. Einen generellen Sonderkündigungsschutz für Übergewichtige gibt es damit weiterhin nicht. Abzuwarten bleibt, ob und falls ja, wo, sich in der Rechtsprechung Schwellenwerte etablieren, ab denen eine Kündigung oder die Ablehnung eines Bewerbers diskriminierend ist. Bis dahin dürfte die Entscheidung des EuGH für eine erhebliche Rechtsunsicherheit sorgen.