Bestätigung durch EuGH: Fahrtzeit ist bei Außendienstmitarbeitern Arbeitszeit

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Das Bundesarbeitsgericht hatte es bereits im Jahr 2009 (BAG vom 22. April 2009, 5 AZR 292/08) sehr klar entschieden: Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Keine Arbeit wird für den Arbeitgeber durch den Weg zur Arbeit erbracht. Dagegen gehört die Reisetätigkeit bei Außendienstmitarbeitern zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten (§ 611 Abs. 2 BGB). Mangels festen Arbeitsorts können sie ihre vertraglich geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen. Das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit ist darauf gerichtet, verschiedene Kunden zu besuchen, wozu die jeweilige Anreise zwingend gehört. Das gilt nicht nur für die Fahrten zwischen den Kunden. Die Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück bilden mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit und stellen nach der Verkehrsanschauung jedenfalls bei Außendienstmitarbeitern, Vertretern, „Reisenden“ uä. insgesamt die Dienstleistung iSd. §§ 611612 BGB dar. Das ist unabhängig davon, ob der Fahrtantritt ab der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder ab der Wohnung des Arbeitnehmers erfolgt. Solche Fahrten sind nicht mit Fahrten zu mehrwöchigen Einsätzen in anderen Betrieben gleichzusetzen. In jedem Falle ist eine dem Arbeitgeber zugute kommende Arbeitsleistung dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer bei An- und Abreise selbst tätig werden muss und die Fahrt vom Arbeitgeber kraft Direktionsrechts bestimmt wird.

Nun hat auch der EuGH (EuGH vom 10. September 2015 - C‑266/14) entschieden, dass es sich bei den Fahrtzeiten von Außendienstmitarbeitern um Arbeitszeit handelt. Die Einordnung solcher Zeiten als Arbeitszeit gebiete die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Insbesondere (auch) kollektive Regelungen, welche die Vergütungspflicht von Fahrtzeiten regeln, müsen an dieser Entscheidung gemessen werden und sind ggf. unwirksam. Allerdings stellt die Entscheidung des EuGH auch klar, dass der Arbeitgeber  ”auch wenn die Fahrzeit unter den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens als Arbeitszeit anzusehen ist, die Vergütung für die Fahrzeit Wohnort-Kunden frei bestimmen kann. Es genügt der Hinweis, dass sich die Richtlinie 2003/88 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs mit Ausnahme des in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie geregelten besonderen Falles des bezahlten Jahresurlaubs darauf beschränkt, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, so dass sie grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet (vgl. Urteil Dellas u. a., C‑14/04, EU:C:2005:728, Rn. 38, sowie Beschlüsse Vorel, C‑437/05, EU:C:2007:23, Rn. 32, und Grigore, C‑258/10, EU:C:2011:122, Rn. 81 und 83)”.

Es besteht mithin keine Verpflichtung, Fahrtzeiten ebenso hoch zu vergüten wie die Arbeit beim Kunden.

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