LAG Niedersachen vs. Bundesarbeitsgericht: Streit um Sachgrundbefristung aufgrund gerichtlichen Vergleichs

McDermott Will & Emery
Contact

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 05.11.2013 eine Grundsatzentscheidung zum Befristungsrecht getroffen. Darin vertritt das Gericht eine von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichende Rechtsansicht.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt der Sachgrundbefristung eines Arbeitsvertrages gemäß § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zugrunde. Dabei hatte sich die Arbeitnehmerin zunächst mit einer Klage gegen die vorletzte Befristung ihres Arbeitsverhältnisses als Teamassistentin bis zum 31.12.2010 gewehrt. Nach erfolgloser Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Hannover unterbreitete der Rechtsbeistand der Arbeitnehmerin einen mit der Arbeitgeberseite abgestimmten Vergleichsvorschlag, den das Gericht als gerichtlichen Vergleichsvorschlag der Arbeitgeberin zur Annahme zuleitete. Die Arbeitgeberin nahm dann ausdrücklich den gerichtlichen Vergleichsvorschlag an, der eine weitere Befristung des Arbeitsverhältnisses regelte. Nach Ablauf dieses Befristungszeitraums erhob die Klägerin Anfang 2013 erneut Entfristungsklage mit der Begründung, es habe an den Voraussetzungen eines gerichtlichen Vergleichs i.S. von § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG i.V. mit § 278 Abs. 6 Satz 1 2. Alternative ZPO und damit an einem sachlichen Grund für die Befristung gefehlt.

Vor diesem Hintergrund war Kernfrage für die Entscheidung des Gerichts, unter welchen Voraussetzungen ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich, der eine weitere Befristung eines Arbeitsverhältnisses regelt, zugleich einen Sachgrund für die Befristung i.S. von § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG sein kann. Nach dieser Vorschrift liegt ein sachlicher Grund vor, wenn die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Gemäß § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Ganz konkret war dann hier das Problem, ob ein auf einem übereinstimmenden Vergleichsvorschlag der Parteien festgestellter Vergleich kein gerichtlicher Vergleich im Sinne. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist, der geeignet ist, die Befristung eines Arbeitsvertrages zu rechtfertigen, weil es an einer inhaltlichen Mitwirkung des Gerichts i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG fehle. Vereinfacht gesagt: Kann die nach der Zivilprozessordnung rechtmäßig vorgesehene Vergleichsmöglichkeit, kein „Vergleich“ im Sinne des TzBfG sein? Also zivilprozessrechlich rechtswirksam, aber nicht arbeitsrechtlich für den Fall einer Sachgrundbefristung eines Arbeitsvertrages ? Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.02.2012 – 7 AZR 734/10 – tatsächlich diese Differenzierung gemacht. Begründung: Bei einem auf einem übereinstimmenden Vergleichsvorschlag der Parteien festgestellten Vergleich fehlt es an einer inhaltlichen Mitwirkung des Gerichts, die aber für einen Vergleich, der eine Sachgrundbefristung § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG rechtfertigen soll, nötig wäre.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat diese Sichtweise entschieden abgelehnt und gesetzessystematisch eine solche Unterscheidung aus mehreren Gründen für nicht haltbar erklärt. Was bedeutet dies jetzt für die Praxis? Erst einmal Unklarheit. Zwar gibt es die genannte höchstrichterliche Entscheidung des Bundesarbeitsgericht, bedenkt man aber, dass das LAG Niedersachsen seine gegensätzliche Entscheidung in der entsprechenden Pressemitteilung vom 07.11.2013 unmissverständlich mit “Grundsatzentscheidung zum Befristungsrecht“ ankündigt und dazu der entscheidende Senat des Gerichts unter dem Vorsitz eines der profiliertesten Experten zum Befristungsrecht steht, kann man davon ausgehen, dass auch höchstrichterlich zukünftig Bewegung in diese sehr praxisrelevante Frage kommen kann oder wird. Wir halten Sie jedenfalls auf dem Laufenden.

 

DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

© McDermott Will & Emery | Attorney Advertising

Written by:

McDermott Will & Emery
Contact
more
less

PUBLISH YOUR CONTENT ON JD SUPRA NOW

  • Increased visibility
  • Actionable analytics
  • Ongoing guidance

McDermott Will & Emery on:

Reporters on Deadline

"My best business intelligence, in one easy email…"

Your first step to building a free, personalized, morning email brief covering pertinent authors and topics on JD Supra:
*By using the service, you signify your acceptance of JD Supra's Privacy Policy.
Custom Email Digest
- hide
- hide