Sieben Jahre Verjährungsfrist in der betrieblichen Altersversorgung?

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Sind die Ansprüche aus einer Direktversicherung oder einer Pensionskasse verjährt, können Versorgungsberechtigte unter Umständen dennoch Zahlungen direkt vom Arbeitgeber verlangen.


Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 24. April 2023 – 15 Sa 125/22 B) hat einem Arbeitnehmer Versorgungsleistungen vom Arbeitgeber zugesprochen, auch wenn die Pensionskasse Zahlungen wegen Verjährung ablehnen kann. Dasselbe gilt für Direktversicherungen, wenn die Ansprüche gegen den Versicherer verjährt sind.


Verjährung versicherungsrechtlicher Ansprüche

Die Ansprüche gegen die Pensionskasse oder den Versicherer verjähren nach versicherungsrechtlichen Bestimmungen aufgrund des Versicherungsvertrags. Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit. Versicherungsleistungen werden fällig, nachdem die notwendigen Erhebungen zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung abgeschlossen sind (§ 14 VVG). Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährungsfrist, die am Schluss des dritten Kalenderjahres abläuft (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). So war es hier: Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente am 17. Januar 2014, Ablehnung durch die Pensionskasse am 5. August 2014, Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2017.


Subsidiärhaftung des Arbeitgebers

Daneben haftet aber der Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis oder genauer: aufgrund der Zusage auf betriebliche Altersversorgung. Kraft Gesetzes steht jeder Arbeitgeber für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ein, wenn ein externer Versorgungsträger (wie eine Pensionskasse oder ein Versicherer) die Leistung nicht zahlt (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG). Wie das LAG Niedersachsen nun feststellte, könne sich der Arbeitgeber nicht auf die Verjährung gegenüber der Pensionskasse berufen, wenngleich die Klage vor dem Arbeitsgericht erst am 4. Juni 2021 erhoben wurde. Denn für die betriebliche Altersversorgung bestehe eine eigenständige Verjährungsregelung in § 18a BetrAVG.


Verjährung betriebsrentenrechtlicher Ansprüche

Der (subsidiäre) Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung der Versorgungsleistungen könnte demnach im Grunde noch innerhalb einer Verjährungsfrist von 30 Jahren geltend gemacht werden. Lediglich einzelne wiederkehrende Renten verjähren innerhalb von drei Jahren.

Doch selbst diese dreijährige Verjährungsfrist soll in dem vom LAG Niedersachsen entschiedenen Fall noch nicht abgelaufen gewesen sein. Denn der Arbeitgeber haftet nur subsidiär. Daraus schließt das Gericht, es sei erst ab Eintritt der Verjährung gegenüber der Pensionskasse am 1. Januar 2018 klar gewesen, dass die Pensionskasse die Leistung nicht zahlen würde und der Arbeitgeber einstandspflichtig sei. Erst dann seien alle Tatsachen bekannt, die den Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber begründen. Daher beginne erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist gegenüber dem Arbeitgeber zu laufen, so dass erst mit Ablauf des 31. Dezember 2021 Verjährung eingetreten wäre. Im Ergebnis führt das zu einer Frist von sieben Jahren, weil erst die dreijährige versicherungsrechtliche Verjährungsfrist ablaufen muss, bevor dann am Ende dieses Jahres die dreijährige betriebsrentenrechtliche Verjährungsfrist beginnt.


Korrektur durch das BAG?

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision ist anhängig (3 AZR 164/23). Es ist zu hoffen, dass das BAG die Entscheidung korrigiert.

Richtigerweise obliegt den Versorgungsberechtigten die Pflicht, Ansprüche gegenüber dem "eigentlichen", dem primären Versorgungsträger durchzusetzen. Er kann nicht einfach den bequemsten Weg wählen. Nach Ansicht des BAG ist eine unmittelbare Haftung des Arbeitgebers erforderlich, wenn über die bloße Prozessführung hinaus weitere Schwierigkeiten der Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Versorgungsträger im Raum stehen. Es reicht aber nicht aus, wenn der Versorgungsberechtigte diesen lediglich zur Leistung auffordert. Auch haftet der Arbeitgeber nicht, wenn die Parteien über die zutreffende Auslegung der Versorgungsregelungen des externen Versorgungsträgers streiten, die auch Inhalt der Versorgungszusage des Arbeitgebers sind. Auch in einem solchen Fall bleibt es bei der vorrangigen Haftung des externen Versorgungsträgers (BAG, Urteil vom 13. Juli 2021 – 3 AZR 298/20). Deshalb muss jedenfalls die Verjährungsfrist des § 18a BetrAVG schon dann zu laufen beginnen, wenn auch die reguläre zivilrechtliche Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt. Unterlässt ein*e Versorgungsberechtigte*r weitere Anstrengungen gegenüber dem externen Versorgungsträger, verschließt er*sie sich der Aufklärung der Tatsachen. Ihm*ihr ist grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, was zum Beginn der Verjährungsfrist führt.

Aus denselben Erwägungen heraus darf sich ein*e Versorgungsberechtigte*r nicht auf die lange 30-jährige Verjährungsfrist berufen, wenn er*sie durch sein*ihr Zögern bei der Durchsetzung gegenüber dem externen Versorgungsträger einen Schaden beim Arbeitgeber verursacht. Dieser hat Beiträge gezahlt und müsste nun zusätzlich die Versorgungsleistungen erbringen. Es kann dem*der Versorgungsberechtigten zugemutet werden, seinen*ihren Anspruch notfalls auch gerichtlich gegenüber dem externen Versorgungsträger durchzusetzen. Unterbleibt das, verletzt er*sie eine Nebenpflicht aus dem Arbeits- und Versorgungsverhältnis. Der Arbeitgeber hat den externen Durchführungsweg für die Versorgungsberechtigten erkennbar auch deshalb gewählt, weil er nicht selbst Versorgungsleistungen erbringen will (vgl. BAG, Urteil vom 7. September 2004 – 3 AZR 550/03). Weder die Einstandspflicht des Arbeitgebers noch der Zweck der langen Verjährungsfrist entbinden die Versorgungsberechtigten davon, ihre Rechte vertragsgemäß wahrzunehmen.


Folgen für Unternehmen

Insbesondere Fälle von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit sind anfällig für Auseinandersetzungen mit externen Versorgungsträgern, weil die Voraussetzungen nicht immer klar sind. Für Arbeitgeber ist das Urteil ein Fingerzeig darauf, Sachverhalte möglichst vor Ablauf der dreijährigen versicherungsrechtlichen Verjährungsfrist zu klären. Sie sollten Versorgungsberechtigte zur Mitwirkung und Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber dem externen Versorgungsträger anhalten und ggf. dabei unterstützen. Dadurch lässt sich die Eintrittspflicht des Arbeitgebers faktisch vermeiden. Zudem wird den Versorgungsberechtigten ihre Mitwirkungspflicht vor Augen geführt, so dass es später schwerer fallen dürfte, Rechtsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber anzumelden. Ergänzend könnte schon in den Informationen an die Versorgungsberechtigten im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung auf die Verjährung der Ansprüche gegenüber externen Versorgungsträgern hingewiesen werden.

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