Update Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht: Das Zukunftsfinanzierungsgesetz

Morrison & Foerster LLP

Mit dem Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) will die Bundesregierung den Finanzstandort Deutschland stärken und Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern.

Die erfolgten Änderungen betreffen die Bereiche Finanzmarkt-, Gesellschafts- und Steuerrecht.

In unserem Client Alert fassen wir die wichtigsten Aspekte für Sie zusammen und geben Ihnen Hinweise zur praktischen Umsetzung.

KAPITALERHÖHUNGEN

Anhebung der Grenze für den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss: „20 %-er“

Für den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) galt bisher, dass das Bezugsrecht der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen ausgeschlossen werden konnte, wenn der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet und das Volumen der Kapitalerhöhung 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt (sog. „10 %-er“). Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde diese Grenze von 10 % auf 20 % angehoben. Von der Möglichkeit des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses wird in der Praxis in der Regel im Rahmen eines genehmigten Kapitals Gebrauch gemacht (vgl. § 203 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die neue Grenze wirkt sich mittelbar auch auf die Veräußerung eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 Halbsatz 2 AktG) und die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten (§ 221 Abs. 4 Satz 2 AktG) aus, sofern dabei auch ein vereinfachter Bezugsrechtsausschluss ermöglicht werden soll.

Praxishinweise
  • Mit der Änderung wurde der Umfang einer bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhung an die Möglichkeit der prospektfreien Zulassung von Aktien im regulierten Markt angepasst. Gemäß Art. 1 Abs. 5 lit. a) ProspektVO[1] können über einen Zeitraum von zwölf Monaten Aktien im Umfang von bis zu 20 % der bisher zugelassenen Aktien prospektfrei zugelassen werden. Im Rahmen des EU Listing Acts[2] soll diese Grenze auf bis zu 40 % angehoben werden (diese Frage ist aktuell noch Gegenstand der Trilog-Verhandlungen zwischen Vertretern des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission).
  • Die Inanspruchnahme dieses größeren Rahmens dürfte insbesondere für börsennotierte Gesellschaften nicht ohne weiteres möglich sein, da die Voting Guidelines von professionellen Stimmrechtsberatern wie ISS und Glass Lewis bislang bereits sehr restriktive Vorgaben hinsichtlich des Bezugsrechtsausschlusses vorsahen.
  • Der Gesetzgeber hat es verpasst, im Zusammenhang mit der Erhöhung des Bezugsrechtsausschlusses wichtige Fragen zu klären, die in der Praxis Probleme bereiten. So bleibt weiter ungeklärt, wie hoch der maximale Abschlag vom Börsenkurs sein darf und mit welchem zeitlichen Abstand wiederholt von einer solchen Ermächtigung Gebrauch gemacht werden darf.
  • Gerade auch im Zusammenhang mit der jüngeren Rechtsprechung des BGH zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital (BGH, Urteil vom 23.05.2023 – II ZR 141/21 – Zapf Creation AG) ergeben sich deutlich mehr Gestaltungsvarianten für eine flexible Unternehmensfinanzierung, die bei der Schaffung bzw. Erneuerung von Ermächtigungsbeschlüssen berücksichtigt werden sollten.
Anhebung der Höchstgrenzen für bedingte Kapitalerhöhungen

Ein bedingtes Kapital darf nur für drei gesetzlich definierte Zwecke geschaffen werden: (i) um Unternehmenszusammenschlüsse vorzubereiten, (ii) um Bezugsrechte in Verbindung mit Wandelschuldverschreibungen auszugeben oder (iii) um Aktienoptionen im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen zu gewähren (vgl. § 192 Abs. 2 AktG).

Für die ersten beiden Zwecke galt bisher eine Höchstgrenze von 50 % des Grundkapitals (§ 192 Abs. 3 Satz 1 AktG a.F.). Für den Zusammenschluss von Unternehmen wurde diese Grenze durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz auf 60 % angehoben (§ 192 Abs. 3 Satz 1 AktG). Für die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen bleibt es dagegen bei der bisherigen Grenze von 50 % (§ 192 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG).

Für Aktienoptionsprogramme galt bisher ein Schwellenwert von 10 %. Dieser wurde im Rahmen der Gesetzesänderung auf 20 % erhöht (§ 192 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AktG).

Praxishinweise
  • Die Erhöhung des Umfangs des bedingten Kapitals für Unternehmenszusammenschlüsse von 50 % auf 60 % ist für die Praxis wohl ohne Bedeutung. Die Voraussetzungen für die Nutzung eines bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen widersprechen dem üblichen Ablauf einer solchen Transaktion, sodass ein bedingtes Kapital auch unter der bisherigen Grenze von 50 % in der Praxis fast keine Rolle gespielt hat.
  • Aktienoptionsprogramme, die – insbesondere in Wachstumsunternehmen – das wesentliche Instrument zur Mitarbeiterwerbung, -bindung und -motivation darstellen, können nun in größerem Umfang aufgesetzt werden. Schwierig bleibt jedoch, dass weiterhin eine Wartezeit von mindestens vier Jahren für die Ausübung von Optionen gilt (§ 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG).
  • Die bisher für Aktienoptionsprogramme anwendbare Grenze von 10 % wurde überwiegend auch auf die Gewährung von Aktienoptionen unter Nutzung eines genehmigten Kapitals übertragen. Es spricht somit einiges dafür, die Erhöhung auf 20 % auch auf die Fälle des genehmigten Kapitals anzuwenden.
  • Durch die Anhebung der allgemeinen Grenze des bedingten Kapitals auf 60 % besteht in der Kombination mehrerer bedingter Kapitalia nun ein größerer Spielraum. Möglich sind beispielsweise 50 % bedingtes Kapital für Wandelschuldverschreibung und gleichzeitig

10 % für Aktienoptionen oder aber eine Zusammensetzung aus 40 % und 20 %.

Neues Rechtsschutzsystem bei Kapitalerhöhungen

Kapitalerhöhungen mit vollständigem oder teilweisem Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre konnten bisher mit der Begründung angefochten werden, dass die neuen Aktien zu einem unangemessen niedrigen Betrag ausgegeben werden (§ 255 Abs. 2 Satz 1 AktG a.F.). Das Anfechtungsrisiko bestand insbesondere bei Sachkapitalerhöhungen, bei denen vorgebracht werden konnte, dass eine Unterbewertung der Sacheinlage – etwa ein anderes Unternehmen – zu einem unangemessenes Umtauschverhältnis führe. Durch Erhebung einer entsprechenden Anfechtungsklage konnten solche Kapitalerhöhungen bislang erheblich verzögert werden, sodass jedenfalls größere börsennotierte Gesellschaften in der Praxis Sachkapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss im Rahmen eines Hauptversammlungsbeschlusses nur mit Schwierigkeiten durchführen konnten.

Der Gesetzgeber hat nunmehr ein anderes Konzept gesetzlich verankert:

Gemäß § 255 Abs. 2 AktG kann die Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht mehr darauf gestützt werden, dass ein Aktionär einen Sondervorteil zu erlangen sucht (§ 243 Abs. 2 AktG) oder dass der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig ist. Stattdessen können die nicht bezugsberechtigten Aktionäre in einem Spruchverfahren überprüfen lassen, ob die Ausgabe der Aktien zu einem angemessenen Wert erfolgt ist, und haben bei einer Unterbewertung Anspruch auf eine bare Ausgleichszahlung (§ 255 Abs. 4 AktG) oder auf zusätzliche Aktien (§§ 255a, 255b AktG). Schuldner des Anspruchs ist die Gesellschaft.

Bei börsennotierten Gesellschaften entspricht dabei der Wert der gewährten Aktien dem Börsenkurs und der Anspruch auf bare Ausgleichszahlung entfällt, wenn der Ausgabebetrag den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet (§ 255 Abs. 5 Satz 1 und 2 AktG). Eine Ausnahme gilt nach § 255 Abs. 5 Satz 3 AktG, wenn der Börsenkurs keine Aussagekraft hat.

Bei Kapitalerhöhungen mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG – s.o.) besteht weder die Möglichkeit der Ausgleichszahlung in einem Spruchverfahren noch der Anfechtung aufgrund der Bewertungsrüge (§ 255 Abs. 4 AktG).

Praxishinweise
  • Wichtigster Anwendungsfall der Neuregelung sind Sachkapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss, die nunmehr ohne das Risiko missbräuchlicher Anfechtungsklagen durchgeführt werden können.
  • Das Spruchverfahren ist bereits in anderem Zusammenhang eine beliebte Spielwiese von Klägern (Squeeze-out, Gewinnabführungsvertrag). Auch hier ist zu erwarten, dass es bei Sachkapitalerhöhungen regelmäßig zu Spruchverfahren mit einer Vielzahl von Klägern kommen wird.
  • Die Neuregelung gilt nur für von der Hauptversammlung beschlossene Kapitalerhöhungen. Eine Anfechtung bei Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital kommt auch weiterhin nicht in Betracht, weil dort nicht die Hauptversammlung, sondern die Verwaltung über die Durchführung entscheidet.

ANPASSUNG RECORD DATE FÜR HAUPTVERSAMMLUNGEN

Der Nachweisstichtag (sog. Record Date) ist der Zeitpunkt, auf den sich der Nachweis des Aktienbesitzes bei Inhaberaktien beziehen muss, wenn sich ein Aktionär zur Hauptversammlung anmelden möchte.

Bisher hatte sich der Nachweis auf den „Beginn des 21. Tages“ vor der Hauptversammlung zu beziehen. Nunmehr ist der „Geschäftsschluss des 22. Tages“ vor der Hauptversammlung entscheidend (§ 123 Abs. 4 Satz 2 AktG). Ausweislich der Gesetzesbegründung ist mit „Geschäftsschluss“ das Ende des jeweiligen Tages (24:00 Uhr) gemeint. Damit hat sich der relevante Zeitpunkt nicht geändert, da das Ende des 22. Tages vor der Hauptversammlung zugleich der Anfang des 21. Tages vor der Hauptversammlung ist. Gleichwohl sollte die Hauptversammlungseinladung diese Änderung der Formulierung im Gesetz berücksichtigen.

Praxishinweise
  • Soweit Gesellschaften den bisherigen Gesetzeswortlaut in ihre Satzung übernommen haben, sollte die Satzung angepasst werden. Da es sich um keine materielle Änderung handelt, kann diese Änderung durch Beschluss des Aufsichtsrats erfolgen, sofern die jeweilige Satzung dem Aufsichtsrat die Befugnis zur Fassungsänderung übertragen hat, was regelmäßig der Fall sein sollte (vgl. § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG). Damit die Satzungsanpassung noch vor der Einberufung der Hauptversammlung wirksam wird, sollte der Aufsichtsrat hier rechtzeitig tätig werden.
  • Enthält die Satzung eine solche Befugnis des Aufsichtsrats zur Fassungsänderung nicht oder lehnt das zuständige Handelsregister den Weg der Satzungsanpassung über eine Fassungsänderung durch den Aufsichtsrat ab, sollte die Satzungsanpassung durch Beschluss der Hauptversammlung erfolgen. In diesem Fall empfiehlt es sich, in der Einberufung der Hauptversammlung auf die Gesetzesänderung und die Abweichung von der noch nicht angepassten Satzungsbestimmung hinzuweisen.

MEHRSTIMMRECHTSAKTIEN

Wesentliche Neuerung durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz ist eine Abkehr von dem Verbot von Mehrstimmrechten (§ 12 Abs. 2 AktG a.F.) und die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien gemäß §§ 12 Satz 2, 135a AktG. Durch entsprechende Satzungsregelung können Mehrstimmrechtsaktien in Form einer eigenen Aktiengattung bei Gesellschaftsgründung oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung geschaffen oder bestehende Aktien mit Mehrstimmrechten ausgestattet werden.

Die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien unterliegt bestimmten Einschränkungen, die in § 135a Abs. 1 AktG geregelt sind und insbesondere den Schutz der übrigen Aktionäre bezwecken. So können Mehrstimmrechtsaktien nur als Namensaktien ausgegeben werden, maximal das zehnfache Stimmrecht einer Stammaktie in sich tragen und nur mit Zustimmung aller betroffenen Aktionäre eingeführt werden.

Weitere Beschränkungen gelten gemäß § 135a Abs. 2 AktG bei börsennotierten Gesellschaften sowie bei Gesellschaften, deren Aktien in den Handel im Freiverkehr einbezogen sind. Hier erlöschen die Mehrstimmrechte bei Übertragung sowie grundsätzlich zehn Jahre nach Börsennotierung oder Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr. Die Satzung kann eine kürzere Frist vorsehen. Durch Satzungsänderungsbeschluss mit qualifizierter Kapitalmehrheit, der frühstens ein Jahr vor Ablauf der Frist erfolgen darf, kann eine Verlängerung um bis zu zehn Jahre erfolgen.

Diese Änderung im deutschen Recht nimmt eine wichtige Bestimmung des anstehenden EU-Listing Acts vorweg, nach dem Mehrstimmrechte zumindest für Gesellschaften, die eine Zulassung an einem KMU-Wachstumsmarkt anstreben, vorzusehen sind.

Praxishinweise
  • Die Einführung der Mehrstimmrechtsaktie ist insbesondere für familien- oder gründergeführte Wachstumsunternehmen relevant, weil sie die Möglichkeit zur Beteiligung von Investoren bietet, ohne einen Verlust der Stimmrechtsmehrheit in Kauf nehmen zu müssen. Bisher waren dazu KGaA-Strukturen oder die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien erforderlich.
  • Da die Ausgabe bzw. Ausstattung von Aktien mit Mehrstimmrechten einen einstimmigen Hauptversammlungsbeschluss erfordert (§ 135a Abs. 1 Satz 3 AktG), kann ihre Einführung praktisch nur vor einem Börsengang erfolgen.
  • Für die Praxis etablierter börsennotierter Gesellschaften hat diese Gesetzesänderung damit nur insofern eine Auswirkung, dass die Möglichkeit eröffnet wird, beim Börsengang eines Tochterunternehmens über Mehrstimmrechtsaktien beteiligt zu bleiben und weiter Einfluss auszuüben.
  • Mehrstimmrechte wirken sich nicht auf die Kapitalmehrheit aus, sodass Mehrstimmrechtsaktien ihren Inhabern bei Beschlüssen mit zusätzlichem Kapitalmehrheitserfordernis nur ein Vetorecht, aber keine Durchsetzungsmöglichkeit vermitteln können. Das betrifft insbesondere Satzungsänderungen und Kapitalmaßnahmen.

BÖRSENMANTELAKTIENGESELLSCHAFT – DEUTSCHE SPACS

Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) sind Gesellschaften, die allein zum Zweck des Erwerbes einer nicht börsennotierten Gesellschaft gegründet werden und die die erforderlichen finanziellen Mittel durch einen Börsengang aufbringen. Während sich SPAC-Transaktionen vor einigen Jahren – insbesondere in den USA – einer großen Beliebtheit erfreut haben, ist der Markt aktuell weitgehend zum Erliegen gekommen. Deutsche SPAC-Transaktionen erfolgten bisher ausschließlich nach ausländischem Recht, da das deutsche Aktienrecht Beschränkungen aufweist, die eine solche Transaktion nicht zu marktüblichen Konditionen zugelassen haben.

Mit der durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz eingeführten „Börsenmantelaktiengesellschaft“ (BMAG) beabsichtigt der Gesetzgeber das deutsche Aktienrecht für SPAC-Transaktionen zu öffnen. Die Börsenmantelaktiengesellschaft ist eine Rechtsformvariante der Aktiengesellschaft oder Societas Europaea (SE). Dabei wurden den besonderen Eigenschaften von SPACs, wie der engen Verknüpfung mit der Börsennotierung, der Ausrichtung auf den Erwerb einer Zielgesellschaft und der zeitlich befristeten Existenz, Rechnung getragen und Ausnahmeregelungen von bestimmten restriktiven Regeln des Aktiengesetzes vorgesehen.

Nach § 44 Abs. 1 BörsG ist eine BMAG eine Gesellschaft zur Erreichung der eigenen Börsenzulassung, derenGegenstand die Verwaltung des eigenen Vermögens, die Vorbereitung und Durchführung des eigenen Börsengangs sowie die Vorbereitung und der Abschluss der Übernahmetransaktion, die den im Börsenzulassungsprospekt beschriebenen Kriterien entspricht und sich auf ein Unternehmen bezieht, das nicht an einer Wertpapierbörse notiert ist (Zieltransaktion). Weitere Voraussetzungen sind, dass die Satzung der Gesellschaft eine Befristung auf mindestens 24 und höchstens 36 Monate ab Börsenzulassung sowie die Möglichkeit, virtuelle Hauptversammlungen durchzuführen, vorsieht und dass die Wertpapiere der Gesellschaft an einem regulierten Markt zugelassen wurden (§ 44 Abs. 4 BörsG). Um sicherzustellen, dass die Einlagen der Aktionäre allein der Finanzierung der Zieltransaktion dienen, sind diese im Wesentlichen bei einem Treuhänder auf einem sog. escrow account zu hinterlegen (§ 45 Abs. 1 BörsG).

Über die Zieltransaktion als zentrales Element der BMAG entscheidet die Hauptversammlung mit einer Dreiviertel-Mehrheit (§ 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BörsG), wobei das Stimmrecht der Initiatoren, d.h. der Gründer oder Vorstandsmitglieder mit Aktien oder sonstigen Bezugsrechten, ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 3 Satz 2 BörsG). Zu diesem Zweck erarbeitet der Vorstand der BMAG einen Zieltransaktionsbericht, in dem die Zieltransaktion, der ihr zugrundeliegende Vertrag sowie die Angemessenheit der versprochenen Gegenleistung rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden (§ 46 Abs. 1 Satz 4 BörsG).

Beschließt die Hauptversammlung die Zieltransaktion durchzuführen, so haben Aktionäre, die ihren Widerspruch gegen diesen Beschluss zur Niederschrift erklären, ein besonderes Andienungsrecht, aufgrund dessen sie die Rückzahlung ihrer Einlage nebst Aufgeld gegen Übertragung ihrer Aktien verlangen können, ohne dass damit ein Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften verbunden wäre (redemption right) (§ 47 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BörsG). Während die Zulässigkeit der Ausgabe selbstständiger Optionsscheine (naked warrents), die unabhängig von einer Optionsschuldverschreibung (§ 221 Abs. 1 Satz 1 AktG) begeben werden, vor dem Hintergrund des Verbots der Ausgabe von der Aktionärsstellung entkoppelter Bezugsrechte (§ 187 Abs. 2 AktG) grundsätzlich umstritten ist, erklärt § 47a Abs. 1 BörsG sie für die BMAG ausdrücklich für zulässig.

Wird die Zieltransaktion nicht innerhalb der in der Satzung bestimmten Frist durchgeführt, besteht die Möglichkeit, die Frist auf insgesamt bis zu 48 Monate von der Hauptversammlung durch satzungsändernden Beschluss zu verlängern (§ 44 Abs. 3 Satz 4 BörsG). Der endgültige Ablauf der Frist führt in der Regel zur Auflösung der Gesellschaft (§ 47b Abs. 1 Satz 1 BörsG).

Praxishinweise
  • Obwohl die große SPAC-Welle – auch aufgrund einiger spektakulärer Misserfolge – inzwischen wieder abgeebbt ist, ist es zu begrüßen, dass der deutsche Gesetzgeber es nun geschafft hat, Investoren eine SPAC-fähige Gesellschaftsform nach deutschem Recht zur Verfügung zu stellen. Die praktische Relevanz dieser Regelungen bleibt abzuwarten. Insbesondere ist unklar, ob sich die Börsenmantelaktiengesellschaft gegenüber der bisherigen Lösung über eine ausländische Gesellschaft als überlegen erweisen wird.

ELEKTRONISCHE AKTIEN

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz führt durch Änderungen im Aktiengesetz und im Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) unverbriefte, elektronische Aktien ein. Diese werden durch Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister begeben (§ 2 Abs. 1 eWpG).

Es wird zwischen zentralen Registern, die nur von Depotbanken und Zentralverwahrern geführt werden können, und Kryptowertpapierregistern unterschieden. Letztere müssen über ein besonderes, fälschungssicheres Aufzeichnungssystem verfügen, das auf der Blockchain-Technologie beruht und von allen Unternehmen mit einer entsprechenden Lizenz geführt werden kann.

Elektronische Namensaktien können sowohl als Zentralregisteraktien (§ 4 Abs. 2 eWpG) als auch als Kryptoaktien (§ 4 Abs. 3 eWpG) geführt werden, Inhaberaktien dagegen nur als Zentralregisteraktien, was mit dem Schutz vor Geldwäsche begründet wird. Die Begebung elektronischer Aktien setzt voraus, dass die Verbriefung in der Satzung ausgeschlossen wird (§ 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG). Bei teilweisem Ausschluss ist es nach der Gesetzesbegründung möglich, sowohl verbriefte als auch elektronische (unterschiedliche) Aktien zu begeben. Sollen Kryptoaktien begeben werden können, muss auch dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen sein (§ 10 Abs. 6 AktG). Auch für elektronische Namensaktien ist weiterhin ein Aktienregister (§ 67 AktG) zu führen, was jedoch der Stelle überlassen werden kann, die das Wertpapierregister führt (§ 30a eWpG).

Ist die Verbriefung in der Satzung ausgeschlossen, so können vorhandene Aktien mit Zustimmung des Aktionärs in Zentralregister- oder Kryptoaktien umgewandelt werden (§ 6 Abs. 3, Abs. 4 eWpG). Die Umwandlung von Sammelurkunden in Zentralregisteraktien kann sogar ohne diese Zustimmung erfolgen (§ 6 Abs. 3 eWpG).

Praxishinweise
  • Die Möglichkeit zur Schaffung von elektronischen Aktien ist ein richtiger Schritt in die Digitalisierung auch von Aktien. Das inzwischen antiquiert wirkende System mit physischen Globalurkunden, die in einem Tresor bei Clearstream verwahrt werden, könnte damit über kurz oder lang der Vergangenheit angehören.

ÄNDERUNGEN BEI DEN BÖRSENZULASSUNGSVORAUSSETZUNGEN

Der Mindestbetrag für die voraussichtliche Marktliquidität, die sich grundsätzlich aus dem voraussichtlichen Kurswert der zuzulassenden Aktien ergibt, wurde von EUR 1,25 Mio. auf EUR 1 Mio. abgesenkt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV) und entspricht damit der Mindestvorgabe der Wertpapierrichtlinie (RL 2001/E34/EG).

Außerhalb qualifizierter Teilbereiche ist es nunmehr der Regelung durch die Börsen überlassen, ob der Antrag auf Zulassung am regulierten Markt gemeinsam mit einem Emissionsbegleiter gestellt werden muss (§ 32 Abs. 2a BörsG).

VERBESSERUNG BEI DER STEUERLICHEN FÖRDERUNG VON MITARBEITERBETEILIGUNGSPROGRAMMEN

Die steuerlichen Bedingungen für echte Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland sind bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Im internationalen Vergleich sind Mitarbeitende in Deutschland wesentlich höheren steuerlichen Belastungen ausgesetzt.

Ein besonders relevanter Punkt ist die sog. Dry-Income-Problematik: Die Besteuerung des Vorteils aus dem verbilligten oder unentgeltlichen Erwerb der echten Mitarbeiterbeteiligung, ohne dafür tatsächlich Liquidität zu erhalten. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz entschärft diese Belastungen für Mitarbeitende.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

Der Steuerfreibetrag für Mitarbeiterbeteiligungen wurde von derzeit EUR 1.440 auf EUR 2.000 angehoben.

Zusätzlich werden die Regelungen zum Besteuerungsaufschub (§ 19a EStG) ausgeweitet. Unter anderem ist eine Erhöhung der bisherigen Schwellenwerte für KMU und Start-ups erfolgt. Es fallen nunmehr solche Unternehmen in den Anwendungsbereich, deren Gründung nicht mehr als zwanzig Jahre zurückliegt, die nicht mehr als 1.000 Mitarbeitende beschäftigen sowie einen Jahresumsatz von EUR 100 Mio. nicht überschreiten oder eine Jahresbilanzsumme von nicht mehr als EUR 86 Mio. haben. Eine Begünstigung nach § 19a EStG ist möglich, wenn diese Schwellenwerte im Ausgabezeitpunkt oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht überschritten werden.

Der Anwendungsbereich von § 19a EStG umfasst nun auch vinkulierte Anteile. Hierbei handelt es sich um eine in der Praxis weit verbreitete Vereinbarung, um Veränderungen im Gesellschafterbestand einzuschränken.

Neben der Ausgabe von Beteiligungen durch den Arbeitgeber sind zudem Beteiligungen an den Arbeitgeber begünstigt, die von einem Gesellschafter des Arbeitgeberunternehmens ausgegeben werden. Nicht erfasst sind dagegen die Fälle, in denen die Beteiligung nicht an der Gesellschaft, mit der das Arbeitsverhältnis besteht, gewährt wird, sondern z.B. an der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe. Diese sog. Konzernklausel wurde im Gesetzgebungsverfahren gestrichen.

Unter diesen Voraussetzungen soll die Besteuerung des geldwerten Vorteils von bisher zwölf Jahren auf fünfzehn Jahre aufgeschoben werden können. Dies gilt aber nur, wenn die Beteiligung nicht zuvor veräußert oder das Anstellungsverhältnis beendet worden ist. Erklärt der Arbeitgeber für die einzubehaltenden Lohnsteuerbeträge zu haften, kommt sogar ein Besteuerungsaufschub bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung in Betracht.

Praxishinweise
  • Nicht vorgesehen ist eine Begünstigung für die in der Praxis gängigen virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen, bei denen den Mitarbeitenden ein schuldrechtlicher Vergütungsanspruch, ähnlich einem variablen Bonus, eingeräumt wird. Andererseits wird die Dry-Income-Problematik hier auch umgangen. Die Besteuerung erfolgt erst mit Zufluss der Vergütung. Zu diesem Zeitpunkt verfügt der Mitarbeitende über die erforderliche Liquidität, sodass es eines Besteuerungsaufschubes nicht bedarf.
  • Trotz der überarbeiteten steuerlichen Rahmenbedingungen ist bislang nicht vorgesehen, den Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG auch auf Sozialversicherungsbeiträge auszuweiten. Entsprechend sind die Vorteile aus der Gewährung einer Mitarbeiterbeteiligung zum Zeitpunkt der Ausübung sozialversicherungspflichtig, sodass es hier bei der Dry-Income-Problematik bleibt.

[1] Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG.

[2] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) 2017/1129, (EU) Nr. 596/2014 und (EU) Nr. 600/2014 zur Steigerung der Attraktivität der öffentlichen Kapitalmärkte in der Union für Unternehmen und zur Erleichterung des Kapitalzugangs für kleine und mittlere Unternehmen (COM/2022/762 final).

[View source.]

DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

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