Update Zukunftsfinanzierungsgesetz – Fokus Aktien- und Kapitalmarktrecht

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Mit dem ehrgeizigen Ziel, die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts zu stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandortes auf dem europäischen Finanzplatz zu erhöhen, wurde am 12. April 2023 der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (“Referentenentwurf“) vom Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium der Justiz veröffentlicht. Der Referentenentwurf enthielt eine Vielzahl gesellschafts-, finanzmarkt- und steuerrechtlicher Änderungsvorschläge (s. unser Update Zukunftsfinanzierungsgesetz – Fokus Aktien- und Kapitalmarktrecht).

Am 17. August 2023 folgte die Veröffentlichung des Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – “ZuFinG-E” und “Regierungsentwurf“) durch die Bundesregierung.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die zentralen aktienrechtlichen Änderungen sowie über die Konkretisierungen und Neuregelungen des Regierungsentwurfs.

WEITERE INFORMATIONEN


I. Einführung der elektronischen Aktie

Bereits im Koalitionsvertrag angelegt und im Eckpunktepapier zum Zukunftsfinanzierungsgesetz angekündigt, soll der Anwendungsbereich des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (“eWpG”) auf elektronische Aktien ausgeweitet werden. Bislang konnten im Rahmen des eWpG lediglich Inhaberschuldverschreibungen und Investmentfonds-Anteilscheine elektronisch begeben werden. Durch die vorgeschlagenen Änderungen im eWpG und AktG soll dies zukünftig auch für Aktien möglich sein.

Aktiengesellschaften haben dann die Wahl, ob sie ihre Anteile als herkömmlich verbriefte oder als elektronische Aktien ausgeben. Dabei sollen Namensaktien künftig in beiden Formen elektronischer Wertpapiere nach dem eWpG begeben werden können, d.h. als Zentralregisterwertpapiere und als Kryptowertpapiere (§ 10 Abs. 6 AktG-E).

Inhaberaktien sollen in Fortschreibung der bestehenden Einschränkungen lediglich als Zentralregisterwertpapiere elektronisch begeben werden können (§ 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG-E), da der Gesetzgeber für Inhaberaktien bei fehlendem Zentralregister eine Vielzahl gesellschafts- als auch geldwäscherechtlicher Fragestellungen befürchtet.

Der Regierungsentwurf konkretisiert und verschärft die vorgeschlagenen Änderungen des Referentenwurfes nun in einigen Punkten:

  • So soll bspw. die Begebung von Krypto-Aktien § 10 Abs. 6 Satz 2 AktG-RegE nur zulässig sein, wenn die Satzung die Eintragung in ein Kryptowertpapierregister gem. § 16 eWpG ausdrücklich zulässt. Die neuen Technologien seien zumindest derzeit vielen Menschen noch nicht hinreichend vertraut und es könnten ggf. Vorbehalte gegenüber Kryptoaktien bestehen. Sieht die Satzung nur allgemein die Zulassung einer Eintragung in das elektronische Register vor, könne damit nur ein zentrales Register gemeint sein.
  • Der Regierungsentwurf hält zwar an der Entscheidung fest, die elektronische Inhaberaktie – anders als die elektronische Namensaktie – nur als Zentralregisteraktie und nicht als Kryptoaktie Die Begründung verweist nunmehr jedoch darauf, dass eine etwaige Öffnung für mittels Blockchain-Technologie oder vergleichbarer Technologien begebenen Inhaberaktien zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden sollen, wenn die Verhandlungen zu der EU-Verordnung zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung abgeschlossen sind.
  • Im Hinblick auf die Änderungsvorschläge im eWpG stellt der Regierungsentwurf in einem neuen Absatz 5 klar, dass bei elektronischen Aktien die Satzung der Aktiengesellschaft nicht bei der registerführenden Stelle niederzulegen ist. Diese ist bei Aktiengesellschaften bereits für jedermann aus dem Handelsregister abrufbar. Zudem sieht der Regierungsentwurf Folgeanpassungen der Regelungen vor, die auf die Niederlegung der Emissionsbedingungen Bezug nehmen, da es bei Aktien in der Regel keine begleitenden Emissionsbedingungen gibt.
  • Weitere Anpassungen durch den Regierungsentwurf betreffen die Zurechnung des Verschuldens der registerführenden Stelle (§ 21 eWpG-E), Veröffentlichungen von Kryptowertpapieren durch die Aufsichtsbehörde (§ 20 eWpG-E) und ein fristloses Kündigungsrecht des Emittenten für den Fall, dass er eingetragene Wertpapiere auf ein anderes Wertpapierregister überträgt und somit die Führung des Wertpapierregisters und die Führung des Aktienregisters auseinanderfallen würden (§ 30a eWpG-E).

II. Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

Durch Streichung des bisherigen Verbots von Mehrstimmrechten in § 12 Abs. 2 AktG sollen zukünftig Mehrstimmrechtsaktien die Beschaffung von Eigenkapital über den Kapitalmarkt attraktiver machen. Insbesondere Start-ups und Wachstumsunternehmen soll durch die Sicherung von Einfluss und Kontrolle über die strategische Ausrichtung des Unternehmens somit die Scheu vor einem Börsengang genommen werden.

Die Modalitäten der Mehrstimmrechte sollen durch Einführung eines neuen § 135a AktG-E geregelt werden, der unter anderem die Begrenzung der Mehrstimmrechte auf höchstens das Zehnfache des Stimmrechts nach § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG und ein Erlöschen der Mehrstimmrechte nach spätestens zehn Jahren nach Börsennotierung der Gesellschaft („Sunset Clause“) vorsieht. Dabei soll jedoch – eine qualifizierte Kapitalmehrheit vorausgesetzt – eine satzungsmäßige Verlängerung von weiteren zehn Jahren möglich sein (§ 135a Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG-E).

Der Regierungsentwurf ergänzt nun, dass die Verlängerung nur wirksam sein soll, wenn die Aktionäre jeder stimmberechtigten Gattung in Form eines Sonderbeschlusses zugestimmt haben (§ 135a Abs. 2 Satz 6 bis 8 AktG-E).

Zudem sieht der Regierungsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf weitere Verschärfungen vor:

  • Das Erlöschen der Mehrstimmrechte soll weiterhin nach Aktienübertragung oder zehn Jahren nach Börsennotierung der Gesellschaft erfolgen. Die Mehrstimmrechte sollen nunmehr aber auch nach zehnjähriger Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr erlöschen (§ 135a Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG-E).
  • Da sich beim Erlöschen von Mehrstimmrechte die Gesamtzahl der Stimmrechte an der betroffenen Gesellschaft reduziert, was zu einer Verschiebung des Stimmgewichts führt, kann es zu einem Überschreiten der Kontrollschwelle nach § 29 Abs. 2 WpÜG kommen. Der Regierungsentwurf verweist daher in seiner Begründung ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Befreiung des betroffenen Aktionärs von den übernahmerechtlichen Pflichten nach § 35 WpÜG (Kontrollerwerbsmitteilung, Pflichtangebot) gemäß § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nummer 5 WpÜG-Angebots-VO.
  • Im Verhältnis zum Referentenentwurf enthält der Regierungsentwurf zudem für Mehrstimmrechtsaktien die Einschränkung, dass diese bei Beschlüssen über die Bestellung von Abschluss- und Sonderprüfern nur zu einer Stimme berechtigen (§ 135a Abs. 4 AktG-E).

III. Erleichterung von Kapitalerhöhungen

Darüber hinaus soll die Eigenkapitalgewinnung durch eine gesellschaftsrechtliche Erleichterung von Kapitalerhöhungen einfacher werden. Hierzu sieht das ZuFinG-E eine Erhöhung der Grenze für den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss von bisher 10 Prozent des Grundkapitals auf 20 Prozent vor (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG-E).

Zudem sollen die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung erhöht werden:

  • Bedingtes Kapital soll zukünftig bei Unternehmenszusammenschlüssen bis zu einer Grenze von 60 Prozent des Grundkapitals statt der bisherigen 50 Prozent möglich sein (§ 192 Abs. 3 Satz 1 AktG-E).
  • Die Grenze für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung soll von 10 Prozent auf 20 Prozent erhöht werden (§ 192 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AktG-E).

Die Neuregelung zum Ausgabebetrag werden zudem um einen Absatz zur Wertbestimmung für börsennotierte Gesellschaften ergänzt, wobei der Wert – einen durchgehenden und funktionierenden Preismechanismus vorausgesetzt – zukünftig ausdrücklich durch den durchschnittlichen Börsenkurs bestimmt wird (§ 255 Abs. 5 AktG-E). Der Regierungsentwurf ergänzt den Referentenentwurf hier um eine Sonderregelung: Ist der Börsenkurs zum Ablauf des der Entscheidung über die Ausgabe neuer Aktien vorausgehenden Tages niedriger als der ermittelte Durchschnittskurs, ist der niedrigere Börsenkurs für die Untergrenze des Ausgabebetrages maßgeblich (§ 255 Abs. 5 AktG-E).

Sah der Referentenentwurf noch generell vor, dass Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages bei Kapitalmaßnahmen gemäß § 255 AktG zukünftig nicht mehr im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens zuzulassen und stattdessen im Spruchverfahren zu entscheiden sein sollen, modifiziert der Regierungsentwurf nun das im Referentenentwurf angelegte Rechtsschutzsystem:

  • Das Anfechtungsverfahren soll weiterhin möglich sein, wenn ein vereinfachter Bezugsrechtsausschluss § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG vorliegt, denn in vielen Fällen würde hier bereits eine Entscheidung im Freigabeverfahren gemäß § 246a AktG das Verfahren beschleunigen, weil es sich hier nicht um schwierige Bewertungsfragen handeln wird.
  • Demgegenüber sollen Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit nicht vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss dem Anfechtungsverfahren entzogen und dem Spruchverfahren zugewiesen werden (§ 255 Abs. 4 AktG-E).
  • Neu hinzugekommen sind zudem die § 255a, 255b AktG-E, nach denen im Kapitalerhöhungsbeschluss für den Ausgleichsanspruch bestimmt werden kann, dass anstelle einer Barleistung zusätzliche Aktien gewährt werden. Durch die Einfügung der Möglichkeit des Ausgleichs durch Aktien soll laut Begründung des Regierungsentwurfs der Kritik Rechnung getragen werden, dass die bislang lediglich vorgesehene bare Ausgleichszahlung nicht als der sachgerechte Schutzmechanismus angesehen wurde.

IV. Einführung von SPACs

Um Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern, soll in einem neuen Abschnitt 4a-E des Börsengesetzes (“BörsG“) zukünftig die Special Purpose Acquisition Company (“SPAC“) als eine besondere Rechtsform der Aktiengesellschaft eingeführt werden. Die SPAC bezeichnet eine Mantelgesellschaft ohne eigenes operatives Geschäft, die gegründet wird, um mittels eines Börsengangs Kapital einzusammeln und hiermit ein – vor dem Börsengang unbestimmtes – nicht-börsennotiertes Unternehmen zu übernehmen und so mittelbar an die Börse zu bringen. Vor diesem Hintergrund schlägt das ZuFinG-E als zukünftige Rechtsformbezeichnung den Begriff der Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG) vor.

In dem neuen Abschnitt 4a BörsG-E sieht das ZuFinG-E zahlreiche Sonderregelungen für die neue Rechtsform vor, die dem Aktienrecht gem. § 44 Abs. 7 BörsG-E vorgehen sollen. Davon umfasst sind beispielsweise die zwingende Voraussetzung, virtuelle Hauptversammlungen durch Satzungsregelung zu ermöglichen (§ 44 Abs. 4 Nr. 3 BörsG-E) und die zwingende Auflösung der Gesellschaft, wenn innerhalb einer satzungsmäßig bestimmten Frist keine Zieltransaktion erfolgt (§ 47b Abs. 1 BörsG-E).

Ergänzend regelt der Regierungsentwurf nun, dass für die Verhinderung des Auflösungsgrunds die Zieltransaktion von wesentlichem Umfang sein muss, d.h. das Volumen mindestens 20 Prozent des Werts der Einlagen einschließlich eines etwaigen Aufgelds erreichen muss (§ 47b Abs. 1 BörsG-E).

Der Regierungsentwurf sieht ferner ergänzend vor, dass anstelle einer Aktiengesellschaft auch eine Europäische Gesellschaft (SE) als BMAG verwendet werden kann:

  • Das Verhandlungsverfahren über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE soll nach §§ 4 bis 20 SEBG regulär im Rahmen der Gründung der Europäischen BMAG durchzuführen sein, sofern die an der Gründung beteiligten Gesellschaften allein oder gemeinsam mit ihren betroffenen Tochtergesellschaften zumindest zehn Arbeitnehmer beschäftigen.
  • Sofern das Verhandlungsverfahren im Rahmen einer arbeitnehmerlosen Gründung nicht durchgeführt werden konnte, ist das Verfahren nachzuholen, sobald die BMAG allein oder gemeinsam mit ihren Tochtergesellschaften – insbesondere nach Durchführung der Zieltransaktion – eine hinreichende Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt.

V. Angleichung des Nachweisstichtages

Für die Hauptversammlungspraxis erfreulich ist ferner der Vorschlag zur Angleichung der Definition des in § 123 Abs. 4 Satz 2 AktG normierten Nachweisstichtages an die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212. Ein materieller Unterschied der Frist bestand durch den abweichenden Wortlaut bislang zwar nicht; die vorgeschlagene Anknüpfung an den „Geschäftsschluss des 22. Tages“ (statt bisher den „Beginn des 21. Tages“) vor der Hauptversammlung beseitigt jedoch die Gefahr von Missverständnissen und Erschwerungen bei den im Einklang mit den EU-Vorschriften anzugebenden Informationen im Rahmen der Mitteilung der Einberufung.

Die vom Referentenentwurf vorgeschlagene Angleichung blieb durch den Regierungsentwurf unverändert.

VI. Erleichterungen bei Börsengängen

Schließlich schlug der Referentenentwurf vereinzelt Erleichterungen bei Börsengängen vor, die der Regierungsentwurf ebenfalls beibehalten hat:

  • Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kapitalmarktes soll der Mindestbetrag für die voraussichtliche Marktliquidität von 1,25 Mio. Euro auf 1 Mio. Euro herabgesetzt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BörsZulVO-E).
  • Daneben sollen Börsen zur Senkung der Zulassungskosten für Emittenten in der Börsenordnung zukünftig vorsehen können, dass die Zulassung in gewissen Segmenten auch vom Emittenten allein beantragt werden kann (§ 32 Abs. 2a BörsG-E).

VII. Ausblick

Der Regierungsentwurf wird zeitnah das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, dessen Abschluss ist für den Herbst oder den Winter diesen Jahres beabsichtigt. Während der Großteil der Regelungen bereits am Tag nach der Verkündung des Zukunftsfinanzierungsgesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft treten soll, ist dies für einige andere Regelungen für den 1. Januar 2024 anberaumt. Wir freuen uns, Sie auch weiterhin über die Entwicklungen des geplanten Zukunftsfinanzierungsgesetzes auf dem Laufenden zu halten!

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