Änderungen bei der virtuellen Hauptversammlung für die Hauptversammlungssaison 2021

Latham & Watkins LLPDer Gesetzgeber hat für die Hauptversammlungssaison 2021 punktuelle Änderungen an den Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung beschlossen. Diese sind bei der Vorbereitung ab sofort zu berücksichtigen.

Key Points:

  • Die Möglichkeit der virtuellen Hauptversammlung bleibt für die Hauptversammlungssaison 2021 bestehen.
  • Während Aktionären in 2020 lediglich eine Fragemöglichkeit eingeräumt werden musste, steht ihnen ab 2021 wieder ein Fragerecht zu. Damit korrespondiert eine grundsätzliche Pflicht der Verwaltung, fristgemäß eingegangene Fragen zu beantworten.
  • Fragen können künftig zwingend bis mindestens einen Tag vor der Hauptversammlung eingereicht werden. Zahlreiche Gesellschaften haben diese Möglichkeit bereits in diesem Jahr eröffnet.
  • Fragen oder Nachfragen während der laufenden Hauptversammlung müssen unverändert nicht zugelassen werden.
  • Im Vorfeld der Hauptversammlung ordnungsgemäß gestellte Gegenanträge und Wahlvorschläge gelten künftig als in der Versammlung gestellt, sofern der Antragsteller ordnungsgemäß legitimiert und zur Hauptversammlung angemeldet ist.

Die vom Gesetzgeber im März 2020 unter dem Eindruck der – damals noch am Anfang stehenden – COVID-19-Pandemie sehr kurzfristig geschaffenen Möglichkeit, Hauptversammlungen im Jahr 2020 ohne physische Präsenz von Aktionären und ihren Bevollmächtigten virtuell abzuhalten, hat sich in der Praxis bewährt. Von verschiedenen Investoren und Aktionärsschutzvereinigungen wurde jedoch die aus ihrer Sicht zu weitreichende Beschränkung der Rechte der Aktionäre kritisiert. Darauf hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der kürzlich per Verordnung erfolgten Verlängerung der Regeln für die virtuelle Hauptversammlung bis Ende 2021 kritisiert und punktuelle Nachbesserungen vorgenommen. Diese sollen zwei Monate nach Inkrafttreten erstmals anwendbar sein und sind somit bei der Vorbereitung von Hauptversammlungen ab sofort zu berücksichtigen.

Einführung eines Fragerechts

Im Rahmen von virtuellen Hauptversammlungen mussten Gesellschaften ihren Aktionären bislang nur die Möglichkeit einräumen, Fragen zu stellen. Eine Pflicht zur Beantwortung gab es aber nicht. Vielmehr war es in das Ermessen des Vorstands gestellt, ob eingegangene Fragen beantwortet werden.

In der Hauptversammlungssaison 2021 steht den Aktionären im Rahmen von virtuellen Hauptversammlungen hingegen ein Fragerecht zu. Der Vorstand ist also, vorbehaltlich etwaiger Auskunftsverweigerungsrechte und im Rahmen des für die Beurteilung der Tagesordnung Erforderlichen, grundsätzlich verpflichtet, fristgerecht eingegangene Fragen zu beantworten. Dabei dürfen – unabhängig von den Sonderregelungen zur virtuellen Hauptversammlung – mehrfach gestellte oder inhaltsgleiche Fragen unverändert gebündelt beantwortet werden, eine individuelle Beantwortung ist nicht erforderlich. Fraglich ist aber, wie mit einer Vielzahl von Fragen umzugehen ist, die im Extremfall dazu führen kann, dass eine Beantwortung innerhalb des Versammlungstages nicht ohne Weiteres sichergestellt werden kann. Üblicherweise ist es dem Versammlungsleiter im Rahmen etwa bestehender statutarischer Ermächtigungen möglich, die Rede- und Fragezeit von Aktionären angemessen zu beschränken. Dieses zeitliche Korrektiv steht aber bei bereits im Vorfeld eingegangenen Fragen nicht zur Verfügung. Es könnte freilich erwogen werden, diese Kompetenz des Versammlungsleiters entsprechend auf die Situation der virtuellen Hauptversammlung anzuwenden. Richtigerweise sollte es dem Versammlungsleiter auch außerhalb von Extremfällen zustehen, die für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung stehende Zeit angemessen zu begrenzen. Dabei wird er sich an der im Deutschen Corporate Governance Kodex enthaltenen Anregung, dass eine ordentliche Hauptversammlung grundsätzlich spätestens nach vier bis sechs Stunden beendet sein sollte, orientieren können. Dies gilt umso mehr als in der virtuellen Hauptversammlung zeitintensive Redebeiträgen nicht möglich sind.

Neues Fristenregime für die Frageneinreichung

Bisher sahen die Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung vor, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats bestimmen konnte, dass Fragen bis zwei Tage vor der Versammlung auf elektronischem Wege einzureichen sind. Diese Fristbestimmung wurde in der Praxis unterschiedlich gehandhabt. Während häufig zwischen dem Tag der Versammlung und dem Fristende zwei volle Tage frei blieben, haben einige Gesellschaften das Fristende auf den zweiten Tag vor der Versammlung gelegt und somit nur einen vollen Tag zwischen Fristende und Tag der Hauptversammlung belassen. Die Neuregelung bestimmt, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorsehen kann, dass Fragen bis spätestens einen Tag vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind. Dies ist im Sinne der letztgenannten Ansicht und nicht dahingehend zu verstehen, dass Fragen bis zum Vorabend der Hauptversammlung eingereicht werden dürfen.

Nicht umgesetzt hat der Gesetzgeber Forderungen von Investoren und Aktionärsschützern, eine (Nach-)Fragemöglichkeit während der Hauptversammlung zwingend zu eröffnen. Dies ist aus Sicht der Gesellschaften zu begrüßen, da es die organisatorische Vorbereitung und Abwicklung der Hauptversammlung erheblich erleichtert. Man wird es auch nicht als ermessensfehlerhaft ansehen können, wenn der Vorstand ein solches Recht nicht vorsieht. Gegenläufige Bemerkungen in der Begründung der Verordnung zur Verlängerung der Anwendungsdauer der Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung sind insoweit rechtlich unerheblich.

Antragsrecht der Aktionäre

Gegenanträge und Wahlvorschläge von Aktionären sind, auch wenn sie im Vorfeld ordnungsgemäß übermittelt und entsprechend von der Gesellschaft bekanntgemacht wurden, in der Hauptversammlung nur dann zwingend zu behandeln, wenn sie während der Hauptversammlung gestellt wurden. Da die im März 2020 geschaffenen Bestimmungen zur virtuellen Hauptversammlung keine explizite Ausnahme von diesem Prinzip vorsahen, sind ca. die Hälfte aller Gesellschaften so verfahren, dass sie zwar Gegenanträge und Wahlvorschläge vorab zugelassen und auch veröffentlicht haben, diese aber in der Versammlung selbst nicht behandelt wurden. Die andere Hälfte der Gesellschaften hat die sog. Fiktionslösung umgesetzt und ordnungsgemäß gestellte Gegenanträge und Wahlvorschläge so behandelt, als seien sie in der Versammlung gestellt worden. Diese Vorgehensweise wird durch die Neuregelung für die Saison 2021 zur Pflicht erhoben, sofern der antragstellende Aktionär sich ordnungsgemäß legitimiert und zur Hauptversammlung angemeldet hat.

Fazit

Durch die Eingriffe des Gesetzgebers werden die wesentlichen Kritikpunkte von Investoren und Aktionärsschützern an den Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung angemessen adressiert. Es ist einerseits erfreulich, dass von weitreichenden Änderungen abgesehen und es so den Gesellschaften ermöglicht wurde, umfassend auf ihrer bisherigen Praxis und Erfahrung aus der Hauptversammlungssaison 2020 aufzubauen. Diese hat gezeigt, dass sich das Format der virtuellen Hauptversammlung bewährt hat. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Einräumung eines Fragerechts Situationen entstehen können, auf die das übliche Instrumentarium versammlungsleitender Maßnahmen nicht ohne Weiteres passt. Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis mit solchen Ausnahmefällen umgehen wird.

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